Budgetdebatte: Weltuntergang, Tunnelblick und dramatische Einschnitte

Politik / 18.12.2024 • 14:00 Uhr
Budgetdebatte: Weltuntergang, Tunnelblick und dramatische Einschnitte
Die Generaldebatte zum Budget verlief durchaus hitzig. VN/Paulitsch

Es wird ausgeteilt und eingesteckt: Hitzige Diskussion über Sparmaßnahmen und Investitionen im Landtag – und darüber, welche Farbe das Budget am Ende trägt.

Bregenz Christof Bitschi (FPÖ) sitzt jetzt als Landesstatthalter auf der Regierungsbank. Oft wandert seine Hand vor sein Gesicht. Er schüttelt den Kopf. Lacht laut auf. Verdeckt seine Augen. Und ärgert sich vor allem, wenn der Landesregierung Ambitionslosigkeit beim Thema Verkehr und leistbarem Wohnraum vorgeworfen wird: „Jetzt glob is denn glei…“, ruft der Landesstatthalter etwa SPÖ-Klubobmann Mario Leiter entgegen, als dieser ÖVP und FPÖ unterstellt, ambitionslos zu investieren, im Sozialbereich zu kürzen, den Wohnungssektor zu ignorieren sowie Kunst und Kultur im Land auszuhöhlen.

Budgetdebatte: Weltuntergang, Tunnelblick und dramatische Einschnitte
Mario Leiter hätte sich mehr von der Landesregierung erwartet. VN/Paulitsch

Leiter findet überhaupt eine spannende Analogie für die neue Regierung. Nach zehn Jahren schwarz-grüner Ehe habe sich der Landeshauptmann Markus Wallner entschieden, „die Frau wegzulegen und eine neue zu nehmen.“ Schlussendlich hätten ÖVP und FPÖ ein Buch verfasst: „Es ist ein schwarzes Buch mit blauem Einband“, verweist der SPÖ-Klubobmann auf das Landesbudget, das am Mittwoch im Landtag debattiert wurde. „Offenbar hat Ihnen der Landeshauptmann das fertige Budget vorgelegt“, wirft Leiter dem neuen Statthalter vor, an dem Landesvoranschlag gar nicht mitgearbeitet zu haben.

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Die Grüne Handschrift sei weg, kritisiert Zadra. VN/Paulitsch

Die Grüne Handschrift wurde jedenfalls in Windeseile ausradiert, hält der einstige Landesrat und nunmehrige Grünen-Klubobmann Daniel Zadra fest. Er sieht im Budget eine Bankrotterklärung an die Zukunft: Zentrale Kritikpunkt: Über 200 Millionen Euro würden für ein fossiles Projekt – dem Stadttunnel Feldkirch – investiert, während etwa bei Sozialeinrichtungen und Extremismusprävention gekürzt und dem sozialen Wohnbau, der Pflege oder dem öffentlichen Verkehr zu wenig Priorität eingeräumt werde. „Straßen und Beton sind die Prioritäten der Landesregierung. Für alles andere bleibt viel weniger übrig.“

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ÖVP-Klubobfrau Veronika Marte wirft den Grünen einen Tunnelblick vor. VN/Paulitsch

Während Zadra vorne steht, rumort es in den Reihen der ÖVP ordentlich. Vieles will man so nicht stehen lassen. Die Grünen hätten in den vergangenen zehn Jahren stets den Budgets zugestimmt, in denen der Stadttunnel enthalten war, sagte ÖVP-Klubobfrau Veronika Marte. Wortspiel: Die Grünen hätten einen Tunnelblick auf das Budget. Mit dem Landeshaushalt von insgesamt 2,6 Milliarden Euro müsse der teilweise stotternde Wirtschaftsmotor in Schwung gebracht werden, aber auch die Kostendynamik in vielen Bereichen gehöre gedämpft. Sparen und investieren, lautet die Devise, so Marte. Was den Schuldenabbau betrifft, müsse alles angeschaut werden: „Es wird nicht angenehm werden.“ Die von der SPÖ scharf kritisierte Kürzung beim Heizkosten- und Stromkostenzuschuss verteidigt die Klubobfrau angesichts der sinkenden Kosten. „Wie lange sollen wir noch warten, bis wir eine Korrektur vornehmen können?“

Budgetdebatte: Weltuntergang, Tunnelblick und dramatische Einschnitte
Claudia Gamon fordert mehr Ehrlichkeit. VN/Paulitsch

Deutlich mehr Korrekturen hätte sich Neos-Klubobfrau Claudia Gamon gewünscht. „Es gibt keine Visionen, keine Ambitionen, keine Reformen, aber dafür viele Schulden für die nächsten Generationen“, fasst sie die Inhalte des Landesbudgets zusammen. „Der Bund und alle Bundesländer müssen sparen, ganz dramatisch.“ Ein großer Prozess struktureller Einsparungen sei erforderlich. „Sicher eine Zäsur“, sagt Gamon. Man müsse jetzt aber auch offen darüber reden, was das für die Gesellschaft bedeute.

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Die Budgetdebatte des Landtags dauert in der Regel bis spätabends. VN/Paulitsch

FPÖ-Klubobmann Markus Klien sieht Potenzial im Bürokratieabbau, aber auch bei den Verwaltungsstrukturen. „Wir müssen auch Förderungen auf Doppelgleisigkeiten und Ungerechtigkeiten überprüfen“, betont er. Die wirtschaftliche Lage und das finanzielle Umfeld sei schwierig, die Belastung der Menschen aber ebenso hoch. Eine Wohnbauoffensive gehöre her: „Wir werden mehr gemeinnützige Wohnungen bauen, als unter Schwarz-Grün“, hält Klien fest. „Wie viel denn?!?“, ruft der SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner ihm entgegen. „500 (Anm. pro Jahr)! Das hab ich dir schon einmal gesagt und sage ich dir nochmals“, ruft Landesrat Marco Tittler (ÖVP) zurück.

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Es müsse investiert aber auch gespart werden, betont Wallner. VN/Paulitsch

Landeshauptmann Wallner erklärte bereits in seiner Eingangsrede, dass es auf dem Bausektor 2025 wieder aufwärtsgehen könne. Rückläufige Zinsen und das Ende der KIM-Verordnung seien zwei Gründe dafür. Den Stadttunnel in Feldkirch sieht er als maßgebliches Projekt zur Konjunkturbelebung. Grundsätzlich reißt Wallner drei Prioritäten auf. Erstens: Menschen in Beschäftigung zu bringen. Zweitens: Wirtschaft mit Investitionen ankurbeln, um die„zarte Wachstumspflanze“ nicht abzuwürgen. Drittens: Budgetkonsolidierung ernst nehmen. „Wir werden zu Beginn des Jahres ein Kernteam aus Finanzexperten, Experten der Kontrollabteilung und Vermögensabteilung bilden, das sich um Fragen der Konsolidierung zu bemühen hat“, kündigt der Landeshauptmann an. Auch er zählt Bereiche mit Potenzialen auf, Kosten zu senken: Verwaltung, Bürokratie, Förderungen, Spitalsplanung,…

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Landesstatthalter Christof Bitschi (l.) und Landesrat Daniel Allgäuer verteidigen das Budget. VN/Paulitsch

Das Finale der Generaldebatte zum Budget läutet Statthalter Christof Bitschi ein. Er lädt Mario Leiter ein, einen gemeinnützigen Wohnbauträger für das Land zu organisieren, da er sich diesbezüglich häufig wiederhole. Bitschi gibt sich offen für Input, wie er sagt. Auch für die Grünen hat der FPÖ-Chef eine Spitze übrig: „Sie haben die leerstehenden Pflegebetten kritisiert und dass der öffentliche Verkehr ausgebaut werden muss“, richtet sich der Landesstatthalter an Zadra. „Zehn Jahre hatten Sie die Verantwortung dafür.“ Die FPÖ sei hingegen erst seit zwei Monaten in der Regierung. „Wir werden noch viele Budgets erstellen, wir werden noch bessere Budgets erstellen.“ Nun gehe es darum, Verantwortung zu übernehmen. Kritisch sieht Bitschi die vermittelte Weltuntergangsstimmung, die er in manchen Reden der Opposition heraushöre. Es gehe um eine realistische Budgetpolitik. „Wir können nicht kritisieren, dass wir zu viel Schulden haben und gleichzeitig, dass wir bei der Ausgabenseite einsparen müssen.“

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Zadra löste bei Bitschi so manche Reaktion aus. VN/Paulitsch

Die Grünen hätten beim Budget übrigens mitgestimmt – allerdings nur, wenn ÖVP und FPÖ ihren Abänderungsantrag mit 64 Maßnahmen bzw. Budgetumschichtungen mitgetragen hätten. 24 Minuten dauerte die Verlesung des Antrags durch Daniel Zadra. Am Ende des Tages wird das Budget dann doch schwarz-blau bleiben.