Wallner sieht Chancen einer Koalition bei 50 zu 50. Aber: “Es gibt keinen Plan B im Moment”

Landeshauptmann Markus Wallner spricht im ausführlichen VN-Interview vor dem Jahreswechsel über die Koalitionsverhandlungen im Bund, die Wirtschaft im Land, Sparpläne und die Energieautonomie.
Isabel Russ & Michael Prock
Bregenz Wie geht es mit dem Budget in Vorarlberg weiter? Wo kann gespart werden und welche Rolle spielen dabei Förderungen in Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen? Landeshauptmann und ÖVP-Chef Markus Wallner blickt im VN-Interview auf die Schwierigkeiten im neuen Jahr. Er hofft darauf, dass sich die Koalitionsverhandler in Wien rasch einigen, fordert eine Verländerung des AMS und möchte die Energieautonomie überdenken.
Herr Wallner, diese Woche kam die Meldung, dass das BIP in Vorarlberg im Jahr 2023 um 14,1 Prozent geschrumpft ist. Was ist los in diesem Land?
Markus Wallner Das war eine Sonderbetrachtung, ein Unternehmen hat diesen Effekt ausgelöst. Aber man muss die Anzeichen dahinter sehen, dass es der Wirtschaft im Lande schlechter geht. Die Aussichten sind eingetrübt und Experten sagen, dass wir alles unternehmen sollen, dass dieses zarte Wachstumspflänzchen nicht auch noch versiegt.
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Auch die Arbeitslosenzahlen steigen, gleichzeitig wird das Budget des AMS gekürzt. Wie passt das zusammen?
Wallner Da ist eher die Frage, ob die Mittel gut und zielgerichtet eingesetzt werden. Im Zweifel wird es mehr brauchen. Wenn die Arbeitslosenquote steigt, muss man aktiv gegensteuern. Ich bin ja insgesamt für eine Verländerung. Wir haben andere Anforderungen als Tirol oder das Burgenland. Eigentlich sollte die Arbeitsmarktpolitik regional entschieden werden.
Also soll das AMS eine regionale Stelle werden?
Wallner Nicht das Arbeitslosengeld, das ist eine Sozialleistung. Wir haben mit dem AMS Vorarlberg eine exzellente Zusammenarbeit. Wir brauchen da keine Bundeseinmischung. Wir können besser entscheiden, welche Jugendlichen welche Qualifizierung benötigen. Wir sollten die Mittel frei einsetzen können.
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Diese Woche hat der Landtag das schwarz-blaue Budget beschlossen. Das Land muss Schulden machen. Wie wollen Sie die Abwärtsspirale wieder in den Griff bekommen?
Wallner Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die jede Ausgabenstelle beleuchtet. Allein die Frage der natürlichen Nachbesetzungen wird ein großes Thema. Außerdem wird die Frage der Digitalisierung stärker aufgegriffen. Und dann werden wir sicher die Förderungen anschauen.

Welche zum Beispiel?
Wallner Bei den Energieförderungen bewegen wir uns im Bund und im Land auf einem hohen Niveau. Diese Förderungen waren als Anschub gedacht, da sind wir am Ende angekommen. Ich weiß nicht, ob wir zum Beispiel bei der Förderung einer Wärmepumpe im Land zu einer Bundesförderung noch etwas drauflegen müssen, in einer Zeit, in der das im Neubau sowieso jeder macht. Selbiges gilt auf Bundesebene für die Mehrwertsteuerbefreiung für Photovoltaik. Wir wollten im alten Regierungsprogramm PV mal drei, jetzt ist es mal acht oder sogar mal zehn geworden. Das entwickelt sich auch ohne Förderung. Ich würde mir diese Bereiche anschauen. Aber wir schauen alle Förderungen an. Vorsichtig wäre ich bei Gemeindeförderungen.

Was halten Sie vom Klimabonus?
Wallner Den müssen sie auf Bundesebene einstellen. Es ist mir ein Rätsel, weshalb ich einen Klimabonus bekomme. Ich brauche ihn nicht, rein finanziell betrachtet. Und es ist eine Gießkannenförderung. Er hat auch nicht die Wirkung, mit der man gerechnet hat. Der direkte Zusammenhang zwischen CO₂-Bepreisung und Klimabonus ist eine hoch theoretische Angelegenheit. Ich würde übrigens auch die Bildungskarenz überdenken. Sie war eine gute Idee, ist aber nicht zielgerichtet.
Muss die zukünftige Regierung auch eine große Reform angehen? Etwa im Pensionssystem?
Wallner Da hätte ich geraten, dass man die Frage der Abschläge und der Frühpensionsregelung unter die Lupe nimmt. Die Abschläge sollten eigentlich geringer werden, wenn ich später in Pension gehe. Jeder Monat, den ich länger arbeite, sollte ein Vorteil sein und wäre für die Pensionsfinanzierung ein großer Gewinn.
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Sollte das Finanzierungsmodell grundsätzlich geändert werden? Der Staat könnte die Pensionen auch über Investitionen am Aktienmarkt oder in Fonds absichern. Manche bringen das schwedische Modell als Vorbild.
Wallner Beim schwedischen Modell bin ich zurückhaltend. Das hängt mit Erfahrungen zusammen, die in Österreich mit Spekulationen gemacht wurden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man da ordentlich einfahren kann. Für mich ist ein gutes Umlagesystem besser. Natürlich kann jeder auch eine private Vorsorge aufbauen, die man steuerlich attraktivieren kann.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass ÖVP, SPÖ und Neos auf Bundesebene eine Koalition zustande bringen? Gerne in Prozent.
Wallner Ich schätze die Chancen 50 zu 50 ein. Offensichtlich sind die wesentlichen Kernfragen noch nicht ausdiskutiert. Aber das sind die Schlüsselfragen des Budgets, der Steuerpolitik und der Standortfinanzierung. Wenn in Finanzfragen und in Fragen von Steuern keine rasche Einigung erfolgt, dann hat das Ganze keine Zukunft.
Wo sehen Sie die großen Aufgaben einer zukünftigen Bundesregierung?
Wallner Die erste Aufgabenstellung heißt Standort attraktivieren. Das führt zur zweiten Aufgabenstellung: Die Kosten und die Energiefragen zu regeln, sowie Arbeitskräfte und Bürokratie. Die dritte Aufgabenstellung liegt im Bereich der Migrationspolitik. Über allem steht aber die Steuerpolitik und die Budgetsanierung. Klima und Energie bleiben natürlich auch ein großes Thema. Auch im Land. Die Zeiten ändern sich.
Gilt das auch für die Energieautonomie?
Wallner Die Strategie muss dringend ergänzt werden. Bisher hat man stark auf die Frage abgestellt, wie wir energieautonom werden. Das ist auch richtig so. Wir müssen jetzt aber die auch Leistbarkeit und die Versorgungssicherheit berücksichtigen. Das Ziel der Energieautonomie bleibt, aber es werden weitere Ziele dazukommen.
Was kann die ÖVP tun, wenn sich Schwarz-Rot-Pink nicht ausgeht?
Wallner Es gibt keinen Plan B im Moment. Das macht das Ganze auch schwieriger.
Hätte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Herbert Kickl den Regierungsauftrag geben sollen?
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Wallner Dass man ihn stärker in die Verantwortung nehmen sollte, hätte ich mir schon vorgestellt. Was mir gefehlt hat, ist eine staatspolitische Ermahnung. Es geht ja nicht um die persönliche Karriere des Herrn Kickl, ob er Kanzler werden will oder nicht. Vielleicht muss einfach auch jemand persönlich einen Schritt tun, um das Ganze nach vorne zu bringen. Es wurde nicht einmal versucht.
Als positiver Abschluss: Warum wird das Jahr 2025 ein gutes Jahr?
Wallner Weil wir den Mut nicht verlieren dürfen, weil wir die Zuversicht nicht verlieren dürfen, weil wir an uns glauben müssen, weil wir optimistisch sein müssen. Deswegen wird es gut. Ich glaube an die Kraft des Landes. Vorarlberg hat unglaubliches Potenzial und eine unglaubliche Stärke und wird jede Krise packen.
