Koalition: Da waren es nur noch zwei

Politik / 03.01.2025 • 21:03 Uhr
Koalition: Da waren es nur noch zwei
Neos-Parteivorsitzende Meinl-Reisinger gab am Vormittag das Ende der Koalitionsverhandlungen bekannt. APA

Neos steigen aus Koalitionsverhandlungen aus – ÖVP und SPÖ machen weiter.

Wien Die Verhandlungen für eine Dreierkoalition von ÖVP, SPÖ und Neos sind geplatzt. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erklärte am Freitag, dass ihre Partei aussteigt. Damit erwischte sie die anderen Parteien und Bundespräsident Alexander Van der Bellen am falschen Fuß. Den ganzen Tag lang wurde gerätselt, wie es weitergeht. Am Abend stand dann fest: ÖVP und SPÖ verhandeln weiter. Bundespräsident Alexander Van der Bellen berichtete, ÖVP-Chef Karl Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler hätten ihm am Freitag berichtet, dass sie weiterhin an einer Koalition arbeiten wollten. Der Bundespräsident forderte “schnelle und umfassende Klarheit”.

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Der Auftrag an Karl Nehammer, einen Regierung zu bilden, bleibe aufrecht. Er habe Nehammer und Babler deutlich zu verstehen gegebe”, dass die weitere Regierungsbildung ohne Zeitverzug geschehen müsse.

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Bundeskanzler Nehammer zeigte sich kurz zuvor bereit, Verantwortung zu übernehmen und appellierte an die “Kräfte der politischen Mitte”. Nehammer traf zuvor mit Babler zusammen. Letzterer meinte am Freitagabend, dass der Ball nun bei Nehammer liege: “Unsere Hand bleibt ausgestreckt.” Scharfe Kritik übte Babler an den Neos. Die hätten Parteitaktik vor Staatsinteressen gestellt. Dabei sei man kurz vor dem Ziel gewesen, die Verhandlungen zu einem positiven Ende zu bringen.

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Van der Bellen ließ den Auftrag für Nehammer aufrecht. APA

Meinl-Reisinger hatte am Vormittag bei ihrem kurzfristig einberufenen Presseauftritt erklärt, sie habe Nehammer und Babler sowie Bundespräsident Van der Bellen Freitagfrüh von der Entscheidung, die Verhandlungen zu verlassen, informiert. Vorausgegangen sei die Erkenntnis, dass kein Durchbruch mit “Schwarz-Rot” erzielt werden konnte. Vorarlbergs Landesparteichefin Claudia Gamon, selbst Teil im Verhandlungsteam, ergänzte: „Wir waren bereit, Verantwortung zu übernehmen, Kompromisse einzugehen und ein Budget-Defizit zu bekämpfen, für das wir nicht verantwortlich sind. In den tage- und nächtelangen Verhandlungen seit Weihnachten mussten wir aber leider feststellen, dass es statt weiterer Fortschritte nur Rückschritte gibt und ÖVP und SPÖ der nötige Reformeifer fehlt.“

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SPÖ-Landesparteivorsitzender Mario Leiter entgegnete: “Diese Dreierkoalition wäre eine echte Neuerung für Österreich gewesen. Mit ihrem Rückzug aus den Verhandlungen verpassen die Neos eine historische Chance, eine stabile und zukunftsfähige Regierung mitzugestalten.” Die Ursache für dieses Scheitern liege vor allem im Beharren der Neos auf der Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Mitverhandler Reinhold Einwallner betonte: “Mich hat es überrascht, dass die Neos aussteigen. In Koalitionsverhandlungen kann man keinen Fundamentalstandpunkt einnehmen. Ich glaube aber, es dient der Sache nicht, einen Schuldigen zu finden.” Eine Zweierkoalition sei schwierig, sagte er zu den VN. “Wer den parlamentarischen Alltag kennt, der weiß, dass eine Mehrheit mit einem Mandat eigentlich eine Minderheitsregierung ist. Bei größeren Klubs kann immer jemand ausfallen.” Dann würde es früher oder später zu Neuwahlen kommen.

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Vorarlbergs Landeshauptmann und ÖVP-Chef Markus Wallner erklärte schriftlich: “Der Ausstieg der Neos aus den mehrmonatigen Verhandlungen ist bedauerlich. Denn aus meiner Sicht hätte es weitgehende inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der Bundes-ÖVP und den Neos gegeben.” Es brauche schnell eine handlungsfähige Regierung.

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Die SPÖ melde sich am Abend per Pressekonferenz zu Wort. APA

Sozialminister und Grünen-Politiker Johannes Rauch ärgerte sich: “Fast 100 Tage haben ÖVP, SPÖ und Neos seit gebraucht, um zu erkennen: Das wird nichts.” Österreich brauche eine stabile, handlungsfähige, verantwortungsvolle, pro-europäische Regierung. “Wir sind auch in Zukunft bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Der Ball liegt bei ÖVP und SPÖ.”

Viele Parteien geben sich nach dem Platzen der Koalitionsverhandlungen eher zugeknöpft. Nicht so die SPÖ. Sie hat auf allen Ebenen gegen ÖVP-Chef Karl Nehammer quer geschossen – und zwar teils mit derben Worten. Für FPÖ-Obmann Herbert Kickl habe der Ausstieg der Neos das “Fass endgültig zum Überlaufen gebracht”. Die Freiheitlichen hätten seit Monaten vor der “politischen Missgeburt der Verlierer-Ampel” gewarnt. Selbige Töne kamen von den blauen Länderchefs.

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“Karl Nehammer wurde am 29. September von den Menschen abgewählt. Diesen Umstand akzeptiert er seit über drei Monaten bis heute nicht”, formulierte Kickl. Die Warnungen der Freiheitlichen vor der “Verlierer-Ampel” habe Nehammer ignoriert, weil es diesem um seinen Job als Kanzler gehe. Nehammer müsse sich umgehend zu den Vorgängen äußern, forderte Kickl, und zudem dessen Rücktritt.

Ähnlich die Tonalität aus den freiheitlichen Landesparteien: Der steirische Landeshauptmann Mario Kunasek sieht Schaden für Länder und Gemeinden. Nehammer habe “mit seinem krampfhaften Festhalten am Kanzlersessel Österreich in die Krise geführt”. Bundesländer und Gemeinden bräuchten eine stabile Bundesregierung. Es liege nun auch an allen Landeshauptleuten, den “politischen Spielern in Wien klarzumachen, dass die gegenwärtige Situation besorgniserregend und untragbar ist.

Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer konstatierte, dass Österreich mehr als drei Monate “zum Narren” gehalten worden sei. Auch aus den anderen Ländern waren harte blaue Worte zu hören. Vorarlbergs Landesparteichef und Landesstatthalter Christof Bitschi wollte sich hingegen persönlich auf VN-Anfrage nicht dazu äußern. Er verwies auf ein schriftliches Statement, indem er betonte: “Es liegt jetzt an den vernünftigen Kräften in der ÖVP, dieses Trauerspiel zu beenden und endlich das Wahlergebnis vom 29. September zu akzeptieren, so wie das in Vorarlberg und in der Steiermark funktioniert hat.” Es dürfe “nicht mehr länger um die persönlichen Befindlichkeiten von Karl Nehammer gehen”, das Land brauche eine stabile Regierung.