Van der Bellen beauftragte Kickl mit Regierungsbildung

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sind nun die Freiheitlichen am Zug.
Wien Um 13:15 trat Bundespräsident Alexander Van der Bellen aus der roten Tapetentür. “Danke, dass Sie sich auch heute wieder für unsere Demokratie interessieren”, mit diesen Worten wandte er sich an die Menschen in Österreich. Danach berichtete er, welches Ergebnis das rund einstündige Treffen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl am Vormittag brachte: “Herr Kickl traut sich zu, im Rahmen von Regierungsverhandlungen tragfähige Lösungen zu finden und er will diese Verantwortung auch übernehmen.” Damit liegt der Regierungsbildungsauftrag nun beim FPÖ-Chef, der Gespräche mit der ÖVP aufnehmen will.

Vieles deutet also darauf hin, dass Österreich seinen ersten blauen Kanzler bekommen könnte und die ÖVP die Rolle des Juniorpartners übernimmt. “Der Respekt vor dem Wählervotum gebietet es, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet, die sich im Nationalrat findet oder eben nicht findet”, erklärte Van der Bellen noch einmal sein Vorgehen. Nach der Wahl im September hätten sich Möglichkeiten eröffnet, “oder eben nicht eröffnet”.
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Die FPÖ hatte die Parlamentswahl im September mit knapp 29 Prozent der Stimmen gewonnen. Die damals Verantwortlichen in der ÖVP und SPÖ hätten eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert Kickl aber ausgeschlossen, rekapitulierte das Staatsoberhaupt. Die Dreier-Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos waren am Wochenende gescheitert. Noch-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist daraufhin am Sonntag zurückgetreten und das kategorische Nein der ÖVP sei unter dem designierten ÖVP-Obmann Christian Stocker aufgegeben worden. “Das ist die neue Situation”, sagte der Bundespräsident.

Pressefreiheit, Russland, Wirtschaftslage
Mit Herbert Kickl seien am Montag verschiedene Inhalte und Optionen diskutiert worden. Van der Bellen betonte, dass er auch Punkte wie die schwierige wirtschaftliche Lage und den damit einhergehenden Zwang zu auch unpopulären Maßnahmen zur Budgetsanierung angesprochen habe. Auch die geopolitische Lage, speziell der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, sei diskutiert worden. Schließlich sei es Van der Bellen auch ein Anliegen gewesen, die Wichtigkeit der Pressefreiheit anzusprechen.
Knackpunkte zwischen FPÖ und ÖVP
ÖVP und FPÖ haben bereits in den 2000er Jahren und zwischen 2017 und 2019 Koalitionen gebildet – allerdings unter ÖVP-Regierungschefs. Zunächst müssten sich die beiden Parteien nun erneut auf ein Regierungsprogramm einigen. Bei Themen wie Migration und Steuern gibt es ähnliche Positionen. Doch zwischen der Moskau-freundlichen und EU-kritischen FPÖ und der ÖVP gibt es unter anderem Differenzen in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik. Die ÖVP war immerhin treibende Kraft bei Österreichs Beitritt zur EU vor heuer 30 Jahren. Die Freiheitlichen hatten sich zudem wiederholt gegen EU-Sanktionen gegen Russland ausgesprochen, die nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verhängt wurden.
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Streitpunkt könnte auch die Ablehnung des europäischen Luftverteidigungssystems Sky Shield werden. Die FPÖ lehnt die Initiative ab, will sie sogar stoppen, wie Kickl auch im Interview im Sommer den VN und den Bundesländerzeitungen sagte. Einen Ausstieg aus russischem Gas wollte er damals ebenfalls “nicht übers Knie brechen”.
Noch völlig offen sind gemeinsame Konzepte zur Bewältigung der tiefen Budgetkrise.