Was FPÖ und ÖVP eint und was sie trennt

Politikwissenschaftlerinnen Katrin Praprotnik und Kathrin Stainer-Hämmerle erklären die Stolperfallen zwischen FPÖ und ÖVP.
Wien Gelingt der nächste Versuch, eine neue Bundesregierung zu bilden? Nun liegt es an FPÖ und ÖVP einen Konsens zu finden, wie sie Österreich in den kommenden fünf Jahren gestalten und aus der tiefen Budgetkrise herausholen wollen. Die Politikwissenschaftlerinnen Katrin Praprotnik und Kathrin Stainer-Hämmerle analysieren, wo es Gemeinsamkeiten gibt und wo die Hürden liegen.
Einstellung zur EU
Praprotnik forscht und lehrt an der Universität Graz. Ihrer Einschätzung nach liegen die Hürden zwischen FPÖ und ÖVP vor allem in der Außen- und EU-Politik. Im Gespräch mit den VN weist sie jedoch darauf hin, dass die ÖVP seit der Obmannschaft von Sebastian Kurz bereits deutlich EU-kritischer geworden ist und “sicherlich nicht mehr die Europapartei von damals” ist. Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten, erinnert in diesem Zusammenhang an das Veto Österreichs zur Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengenraum oder die Ablehnung der Renaturierungsrichtlinie: “Die ÖVP hat in letzter Zeit schon nationale oder sogar Klientelpolitik über die Interessen der EU gestellt.”

Die FPÖ geht aber einen Schritt weiter und hat in ihrem Wahlprogramm klar gegen den EU-Green-Deal und den EU-Migrations- und Asylpakt Position bezogen. Letzteren muss der neue EU-Kommissar und Ex-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) jetzt umsetzen. Auch das Rüstungsprogramm Sky Shield lehnt die FPÖ klar ab, die ÖVP spricht sich dafür aus. Mit Blick auf die Situation 1999/2000 und die erste ÖVP-FPÖ-Regierung meint Praprotnik: “Ich kann mir vorstellen, dass man grundlegende Bekenntnisse zur Europäischen Union im Programm festmacht und die FPÖ damit ein Stück weit auf die ÖVP zugeht.”
Ein Vergleich mit den Koalitionen auf Bundesländerebene sei daher schwierig, fügt Praprotnik hinzu: “Das sind Themen, über die die Bundesländer nicht stolpern, da sie keine Verfassungs- und Europapolitik machen. Bei wirtschaftlichen und vor allem gesellschaftspolitischen Fragen sind sich die zwei Parteien viel näher und es ist einfacher einen Konsens zu finden, wie unsere Gesellschaft aussehen soll. Hier zeichnen FPÖ und ÖVP viel ähnlichere Bilder.”
Keine neuen Steuern
Spannend wird, welchen Pfad die Parteien zur Budgetkonsolidierung einschlagen wollen. Sowohl FPÖ als auch ÖVP hatten vor der Wahl neue Steuern dezidiert ausgeschlossen. “Die FPÖ ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat aufgezählt, welche Abgaben sie nicht mehr möchte – etwa in puncto ORF”, sagt Praprotnik. Sie ergänzt: “Die Realpolitik wird jedoch auf diese Wunschvorstellungen treffen und die Parteien werden sich überlegen müssen, wo sie sparen wollen.” Die Budgetfrage könnte also zum Knackpunkt werden, auch wenn man es “idealtypisch ähnlich sehen würde”. Sowohl FPÖ als auch ÖVP wollen zudem kein EU-Defizitverfahren. Hier drängt die Zeit ebenfalls.

“Die Frage ist, wie ernsthaft sich die ÖVP die Budgetkonsolidierung wünscht und das von der FPÖ einfordert”, sagt Stainer-Hämmerle. Denn die Gefahr bestehe schon, dass mit Versprechen auf die Zukunft vertröstet wird, dass man etwa mit einem Wirtschaftswachstum gar nicht so sehr Reformen angehen muss.
Atmosphärisches Fundament
“Die ÖVP muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie eine 180-Grad-Wendung vollzogen hat. Auch wenn sie das damit begründet, den Schritt nun pragmatisch aus Staatsräson zu gehen”, sagt Praprotnik. Atmosphärisch seien aber sicher alle Beteiligten professionell genug, die Aussagen der vergangenen Monate zur Seite zu stellen.