Werner Kogler: “Das ist fast so wie Stimmen fladern”

Dass die ÖVP ein Rennen um den ersten Platz ausgerufen hat und nun doch mit der FPÖ koalieren will, kritisiert Werner Kogler scharf. Der grüne Parteichef spricht zudem im VN-Interview über das Budgetdefizit, Leonore Gewessler sowie ÖVP und FPÖ, die das Dieselprivileg vielleicht doch abschaffen müssten.
Wien Auch die Grünen hätten Fehler gemacht, gesteht Parteichef und Noch-Vizekanzler Werner Kogler im VN-Interview. Das hohe Budgetdefizit verteidigt der Grünen-Politiker angesichts der Krisen. Vor der Abschaffung des Klimabonus warnt er, da der CO2-Preis weiter steigen wird.
Die Grünen haben bei der EU-Wahl, der Nationalratswahl und der Vorarlbergwahl verloren. Wie möchten Sie enttäuschte Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen?
Kogler Wir sind von historischen Höchstständen gekommen, jedenfalls auf Bundesebene. Auch in den meisten Bundesländern haben wir uns bei mittleren Ergebnissen der letzten 20 Jahre eingependelt. Natürlich ist es besser und auch unser Ziel, eine 15 Prozent-Partei oder vielleicht sogar 15 Prozent-Plus-Partei zu werden. Das ist möglich. Die Grünen kämpfen als einzige Partei glaubwürdig für die Umsetzung einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.

Dennoch. Haben die Grünen auch etwas falsch gemacht?
Kogler Natürlich, wenn man so viele Entscheidungen trifft wie in den vergangenen Jahren, bei diesen vielen Krisen, sind sicher einige nicht richtig. Ich habe auch Fehler gemacht.
Auch in Vorarlberg sind die Grünen aus der Regierung gewählt worden. Hat das Angebot nicht gestimmt?
Kogler Eine der größten Ursachen, die analysiert wurden, ist das mit diesem angeblichen Wettrennen um den ersten Platz. Speziell auch in Vorarlberg haben viele eine Leihstimme vergeben. Und am Schluss kommt heraus, dass mit diesen Stimmen erst recht die Blauen in die Regierung geholt werden. Das ist schon fast wie Stimmen fladern. Die ÖVP hätte auf Bundesebene diese Aufholjagd auf unsere Kosten nie geschafft, ohne die Behauptung, Kickl verhindern zu wollen. Dass sie nun Kickl das Tor zum Kanzleramt aufstößt, ist die größte Wählerinnen- und Wählertäuschung der 2. Republik.

Wie kam es zu dem massiven Budgetdefizit?
Kogler Die Hauptkrisen entstanden in Österreich durch eine unverantwortliche, fast 90-prozentige Gasabhängigkeit von Russland. Das war der Auslöser der Teuerung in Österreich und hat natürlich budgetäre Konsequenzen durch die Abfederung. In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 war es allerdings budgetär noch schwieriger, damals hat es sieben Jahre gebraucht, bis wir von den Schuldenständen runter gekommen sind. Das zeigt aber auch, es ist machbar und kein Weltuntergang.
Weil Sie es erwähnen, 2009 hatten wir ein EU-Budget-Defizitverfahren. Können Sie nachvollziehen, dass sich FPÖ und ÖVP jetzt so dagegen wehren?
Kogler Das kann man so oder so sehen, ich halte es aber schon eher mit den meisten Wirtschaftsforscherinnen und –forschen, die vorschlagen, die Sanierung im Rahmen des Defizitverfahrens zu machen. Im Übrigen haben das schon bald die Hälfte der EU-Mitgliedsländer, weil die Fiskalregeln verändert wurden und diese erst vor acht Monaten in Kraft getreten sind. Das ist ja keine Bestrafungsaktion.

Der Klimabonus und Förderungen für nachhaltige Transformationen werden vermutlich gekürzt oder ausgesetzt. Haben die Grünen zu viel ausgegeben?
Kogler Die Förderungen für den Klimaschutz haben die Wirtschaft befördert. Wenn diese Förderungen jetzt eingestampft werden, geht enorm viel verloren, nicht nur im Klimaschutz, sondern auch für die Betriebe. Zehntausende Jobs haben davon profitiert. Wäre das nicht passiert, hätten wir noch viel größere wirtschaftliche Probleme. Das, was Blau-Schwarz jetzt plant, wird die Umwelt und eben auch die Wirtschaft schädigen.
Soll die CO2-Steuer auch ohne Klimabonus beibehalten werden?
Kogler In Wahrheit geht es ja um eine Bepreisung der Klima- und Umweltschädigung. Deshalb heißt es eigentlich CO2-Bepreisung und bedeutet, dass umweltschädliches Verhalten teurer wird. Der Klimabonus, als eine Form der Kompensation ist wichtig, weil die soziale Akzeptanz sonst irgendwann verloren geht, wenn der CO2-Preis immer weiter steigt. Das wird er, die EU gibt das ab 2027 vor. Menschen mit kleineren Einkommen und jene, die abgelegener wohnen, profitieren enorm. Wer das jetzt komplett abschaffen will, belastet damit in erster Linie Haushalte mit kleinerem Einkommen.
Klimaschädliche Subventionen werden in Österreich in Milliardenhöhe ausgeschüttet. Schmerzt es Sie, dass Sie sich da nicht gegen die ÖVP durchsetzen konnten?
Kogler Vielleicht müssen FPÖ und ÖVP aus der Not heraus sowieso das Diesel- und Dienstwagen-Privileg abschaffen. Unter anderem damit könnte man laut Fiskalrat in der ersten Runde 2,5 Milliarden sparen. Aber, da bin ich so seriös: Nicht alles, wo umweltschädliche Subvention draufsteht, bekommst du weg. Da spielen EU-Vorgaben auch eine Rolle, etwa bei Refundierungen an die Industrie und in sozialen Fragen. Man wird etwa das Pendlerpauschale nicht als Ganzes abschaffen – das will ich ja auch nicht. Man muss es aber ökologischer und sozialer gestalten.

Die Kärntner lehnten in der Abstimmung Windkraft ab. Auch in Vorarlberg steht noch kein Windrad. Wie kann man da Blockade lösen?
Kogler Es ist ja wieder einmal typisch, dass die FPÖ dummdreist und suggestiv irgendeine Befragung anzettelt. Das will ich gar nicht groß kommentieren. Die Kärntner Mehrheit im Landtag und die Landesregierung werden sich genau überlegen, was sie tut. Es geht ja nicht darum, dass man den ganzen Alpenbogen mit Windrädern überzieht, das ist doch ein Blödsinn und Lüge. Wer ist denn jetzt die Verbotspartei, wer sind denn die Verhinderer?

Sind Sie zufrieden mit den erreichten Maßnahmen bei Transparenz und Korruptionsbekämpfung?
Kogler Ja, da ist die Ankündigung eingehalten worden. In Sachen Transparenz ist noch nie so viel weitergegangen. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist zu 100 Prozent gelungen. Auch ich wundere mich, wie viel am Schluss noch gegangen ist. Im Übrigen auch gegen Widerstände von Landeshauptleuten. Das andere ist der Lückenschluss bei Antikorruptionsgesetzen. Und weiters war es früher so, dass Parteispenden der Industrie durch eine eigene Spendenwaschanlage gelaufen sind. Jetzt sind die Spenden begrenzt, es muss alles offengelegt werden, die Strafen sind massiv erhöht worden. Der Rechnungshof darf in die Bücher schauen.
Wer wird Ihnen für den Parteivorsitz der Grünen nachfolgen?
Kogler Das werden wir in diesem Jahr gemeinsam entscheiden und wählen.

Wäre ein Vorarlberger Modell mit einer Doppelspitze denkbar?
Kogler Im Bundesstatut ist das nicht vorgesehen, aber wir haben auch jetzt gut verteilte Rollen. Leonore Gewessler und Stefan Kaineder sind Stellvertreterin und Stellvertreter. Kaineder ist die Verbindung in die Bundesländer und in Oberösterreich sehr erfolgreich. Gewessler braucht man nicht weiter beschreiben: die Kämpferin für das Nummer 1-Thema der Grünen.