Rainer Keckeis

Kommentar

Rainer Keckeis

Treppenwitz

Politik / 20.01.2025 • 07:05 Uhr

Auch wenn es angesichts der derzeitigen Entwicklung wie ein Scherz klingt, aber letztlich leben Politiker und Parteien von ihrer Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Letztere sind, wie die Erfahrungen zeigen, auch gerne bereit, Unzulänglichkeiten, Fehlentscheidungen und Inkompetenz zu verzeihen. Dass aber die Wähler der Volkspartei deren jüngsten Kniefall vor der Kickl-FPÖ verzeihen werden, ist eher nicht anzunehmen. Da tröstet auch die Tatsache nicht, dass sich sowohl die SPÖ als auch neos bei den Koalitionsverhandlungen wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert haben. Es ist nur offenkundig geworden, dass mit ihnen derzeit kein Staat zu machen ist. Das ist besonders im Falle von neos bemerkenswert, sind sie doch angetreten mit dem Anspruch, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen.

Jetzt macht dies die FPÖ mit Herbert Kickl an der Spitze. Wenn er einen pragmatischen Kurs fährt und wie alle anderen Parteien auch, seine Versprechungen aus dem Wahlkampf weitgehend vergisst, wird rasch ein gewisses Maß an Normalität eintreten. Angesichts seiner Perfomance als Innenminister in der Regierung Kurz ist davon aber auch nicht automatisch auszugehen. Denn zum einen scheint er sich schwer zu tun, vom langjährigen Parteisoldaten in eine staatsmännische Rolle zu wechseln und zum anderen birgt die notwendige Lösung anstehender politischer Entscheidungen viel Sprengstoff.
Noch nicht einmal offiziell als neue Koalition im Amt wird schon klar, wohin die Richtung geht. Die Sanierung der Staatsfinanzen wird von den Erwerbstätigen geschultert werden müssen, weil auch die FPÖ der ÖVP-Meinung ist, dass man den Reichen nichts wegnehmen darf. Die Nichtvalorisierung der Sozialleistungen, massive Kürzung der künftigen Pensionsansprüche sowie die Erhöhung indirekter Steuern, der Wegfall des Klimabonus und die Streichung von Förderungen tangieren die Wohlhabenden nur marginal. Treffen wird es, wenn das derzeit nur in groben Zügen vorliegende Programm wirklich umgesetzt wird, in erster Linie jene Menschen, die der FPÖ ihre Stimme gaben. Das hat das Potential, zum Treppenwitz des Jahres 2025 zu werden.

Weil aber Kickl natürlich nicht will, dass sich seine Wähler von ihm anwenden wird er als alter Politikstratege Nebenschauplätze finden, auf denen er die Emotionen seiner Wähler bedient. Da eignet sich die Migrationsfrage ebenso wie die EU oder die ungetrübte Freundschaft der FPÖ mit dem Massenmörder Putin. Ein wenig Trost spendet die Gewissheit, dass unser Land, solange es eine funktionierende Justiz und Gerichtsbarkeit sowie starke, unabhängige Medien gibt, auch derartige Eskapaden – so sie denn kommen werden – überstehen wird.

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.