Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Was zählt

Politik / 31.01.2025 • 18:09 Uhr

Heuer hat es schon drei Wahlen gegeben, die etwas anders ausgegangen sind als erwartet. Auch Nicht-Freiheitliche haben sich freuen oder sogar jubeln dürfen: In Linz setzte sich der Sozialdemokrat Dietmar Prammer bei der Bürgermeister-Stichwahl mit 77 Prozent gegen Michael Raml (FPÖ) durch. In Niederösterreich hat die ÖVP bei den Gemeinderatswahlen alles in allem zwar verloren, ist mit insgesamt 47 Prozent der Stimmen aber auf einem beachtlichen Niveau geblieben, das sie in den 1990er Jahren schon einmal hielt. Und im Burgenland hat die SPÖ von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil all jene Lügen gestraft, die behaupten, dass Regierende in Zeiten wie diesen nur abstürzen können: Sie erreichte 17 von 36 Landtagsmandaten, also fast die Hälfte, musste nur zwei abgeben.

Das ist eine Botschaft. Auch im Hinblick auf die Gemeindewahlen im März in Vorarlberg: Natürlich gibt es eine Großwetterlage. Und selbstverständlich sind die Zeiten schwierig für all jene, die Verantwortung tragen.

Was zählt, ist aber noch immer, wie sich ein Bürgermeister, ein Landeshauptmann oder ein Bundeskanzler schlägt. „Protestbewegungen wie die FPÖ sind dort erfolgreich, wo Menschen das Gefühl haben, dass Regierende die Empathie mit ihnen verloren haben“, sagte der Sozialforscher Christoph Hofinger Angang Jänner zu den VN. Die jüngsten Urnengänge bestätigen es: Bei weitem nicht alle schwarzen und roten Bürgermeister waren so erfolgreich wie der Linzer. Die meisten haben mit ihrer Liste Stimmen abgeben müssen. Wie Doskozil und Genossen im Burgenland haben viele jedoch so abgeschnitten, dass sie sehr zufrieden sein können.

Ihr „Geheimnis“ ist, dass sie den Leuten das Gefühl geben, ihnen nahe zu sein. Dass sie ihre Sorgen und Nöte wahrnehmen. Dabei hilft ihnen, dass sie im Alltag quasi automatisch mit Einzelschicksalen in Berührung kommen. Auf dem Weg ins Rathaus oder privat, beim Einkaufen. Es bleibt jedoch ein Punkt, der ihren Parteifreunden auf Bundesebene, die in jeder Hinsicht weiter weg sind, zu denken geben könnte.

Sofern sie noch da sind. Karl Nehammer hat sich als Kanzler und ÖVP-Chef davongeschlichen. Es ist notwendig, das so hart zu formulieren: Auf dem Stimmzettel bei der Nationalratswahl Ende September stand nicht nur „ÖVP“. Die Parteibezeichnung lautete „Karl Nehammer – Die Volkspartei“. 1.282.734 Männer und Frauen haben ihn bzw. sie gewählt, ihm bzw. ihr vertraut.

Nicht wenige von ihnen könnten jetzt enttäuscht sein, dass sie doch über eine Zusammenarbeit mit Kickl verhandelt, was Nehammer immer ausgeschlossen hat. Dass ihr Vertrauen missbraucht wird. Aber das ist an dieser Stelle nicht einmal der Punkt: Im Vordergrund steht die Tatsache, dass Nehammer per Video seinen Rücktritt verkündete und weg war. Dass er sich nicht ausführlich erklärte und sich Fragen stellen ließ. Das wäre er den Wählern schuldig gewesen. Aber das Bewusstsein dafür hat ihm ganz offensichtlich gefehlt, weil er keine Beziehung „zu den Menschen draußen“ hatte, wie man so sagt. Behauptung: Auch daher ist nicht die ÖVP, sondern Kickls FPÖ Erste geworden.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.