Noch immer keine Koalition: Was der größte Streitpunkt ist

Bald neuer Rekord: Mehr als 100 Tage nach der Wahl lässt eine neue Bundesregierung noch immer auf sich warten.
Wien, Schwarzach Österreich hat noch immer keine neue Regierung. Dabei ist die Nationalratswahl schon mehr als 100 Tage her. Die Koalitionsverhandlungen gestalten sich mehr als schwierig: Zunächst scheiterte das Dreierbündnis aus ÖVP, SPÖ und Neos. Nur kurze Zeit später platzen Gespräche von Volkspartei und Sozialdemokraten. Seit Anfang Jänner hat zwar FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag inne. Doch mit der ÖVP kommen seine Freiheitlichen bislang auch noch nicht zusammen. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht vor allem ein Streitthema.
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Gespräche mit Chefs
Zuletzt spitze sich die Lage zu. Am Beginn der neuen Woche standen Gespräche im kleineren Kreis mit den Parteichefs Kickl und Christian Stocker (ÖVP) auf dem Programm. Die nächsten Tage könnten entscheidend sein, ob das blau-schwarze Bündnis zustande kommt oder nicht. Eines steht fest: Die Koalitionsgespräche kratzen am bisherigen Rekord und werden diesen höchstwahrscheinlich bald überflügeln. Am Dienstag sind seit der Nationalratswahl 128 Tage vergangen. ÖVP und SPÖ brauchten nach dem Urnengang im Jahr 1962 129 Tage, um eine Koalition zu bilden. Die Regierung unter Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) konnte im März 1963 angelobt werden.
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Bei den Gesprächen vor mehr als 60 Jahren fand allerdings auch kein Wechsel unter den verhandelnen Parteien statt, gibt Stainer-Hämmerle im VN-Gespräch zu bedenken. Ein Urteil über die aktuellen Erfolgsaussichten von Blau-Schwarz hält sie für schwierig. “Das Momentum haben sie verloren”, sagt die Expertin. Die Erzählung, dass nun alles flott und schnell gehe, funktionierte ihr zufolge bis zu einem gewissen Zeitpunkt, dann kam Sand ins Getriebe. “Ich habe das Gefühl, dass mit jedem Tag die Chancen sinken. Man merkt das auch am Kommunikationsverhalten, man tritt nicht mehr gemeinsam auf und erklärt, was geschafft wurde und was nicht.”
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Als größtes Hindernis identifiziert die Politikwissenschaftlerin das Auftreten von Regierungsmitgliedern, insbesondere des Kanzlers, auf EU-Ebene im Europäischen Rat oder den Fachministerräten. “Das ist sicher für die ÖVP der unangenehmste Moment. Da wird sie an Leonore Gewessler zurückdenken.” Im vergangenen Juni hatte die Klimaministerin der Grünen auf EU-Ebene gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt. Dadurch konnte das Gesetz überhaupt zustande kommen. In der Koalition führte Gewesslers Stimmverhalten zur Regierungskrise, die ÖVP brachte eine Amtsmissbrauchsklage gegen Gewessler ein. Diese wurde aber von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückgelegt.
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Größeres Selbstbewusstsein
Es gibt mehrere Fragen, bei denen die EU-kritische FPÖ nicht mit der als europafreundlich auftretenden ÖVP übereinstimmen dürfte. Das betrifft zum Beispiel die Russland-Sanktionen oder generell die Außen- und Sicherheitspolitik. Stainer-Hämmerle thematisiert auch das größere Selbstbewusstsein der FPÖ nach der Wahl, was die ÖVP als möglicher Juniorpartner deutlich zu spüren bekomme. Auf nationaler Ebene sieht die Lage anders aus. Innenpolitische Streitpunkte wie aktuell zum Beispiel die Bankenabgabe oder der Umgang mit dem ORF ließen sich zur Not auf die lange Bank schieben, die Regierung könnte trotzdem angelobt werden. “Das Hauptproblem ist das mangelnde Vertrauen. Und das kann eben vor allem auf europäischer Ebene schlagend werden.”
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Sollte keine Einigung zwischen FPÖ und ÖVP zustande kommen, stehen die Zeichen auf Neuwahl. SPÖ und Neos zeigten sich zwar weiterhin gesprächsbereit. Doch davon wollte die ÖVP zuletzt nichts wissen. Die Grünen wollen wiederum eine Rückkehr an den Verhandlungstisch aller “konstruktiven Kräfte” ohne die FPÖ.