Bitschi im Interview: “Wo vernünftige Kräfte der ÖVP agieren, funktioniert es”

Politik / 13.02.2025 • 13:28 Uhr
Bitschi im Interview: "Wo vernünftige Kräfte der ÖVP agieren, funktioniert es"
“Wir brauchen in Wien jetzt dringend eine funktionierende Bundesregierung”, fordert der FPÖ-Chef. VN/Paulitsch

Landesstatthalter macht Volkspartei für das Ende der Koalitionsgespräche verantwortlich.

Michael Prock & Magdalena Raos

Bregenz. Vorarlbergs FPÖ-Chef Christof Bitschi kritisiert die ÖVP im Bund mit deutlichen Worten. Diese habe nur noch über Posten reden wollen. Er spricht sich gegen eine Expertenregierung aus und fordert eine rasche Neuwahl.

Herr Bitschi, was ist da im Bund passiert?

Christof Bitschi Man hat seit einigen Tagen das Gefühl gehabt, dass die ÖVP auf Bundesebene mehr über Posten sprechen will als über Inhalte. Dann hat sich eben Herbert Kickl dazu entschieden, die Verhandlungen zu beenden.

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Braucht es bei einem Streit nicht immer zwei?

Bitschi Wir sind in fünf Landesregierungen gemeinsam mit der ÖVP. Überall dort, wo die vernünftigen Kräfte der ÖVP agieren, funktioniert es auch. Auf Bundesebene ist es in die andere Richtung gegangen.

Was bedeuten die Vorkommnisse der letzten Tage für die Zusammenarbeit im Land? Immerhin hat Markus Wallner Kickl Machtrausch vorgeworfen.

Bitschi Im Land läuft die Zusammenarbeit hervorragend. Während die anderen im Bund herumverhandelt haben, vor allem auch die Dreierkoalition davor, haben wir in Vorarlberg Schritte gesetzt, um dieses Land auf Kurs zu bringen.

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Wie soll es jetzt weitergehen?

Bitschi Das wird der Bundespräsident zeigen. Ich halte relativ wenig davon, dass über eine Expertenregierung diskutiert wird. Rot und Schwarz wollen wahrscheinlich so lange abwarten, bis sie geeignete Spitzenkandidaten haben. Eigentlich gibt es jetzt nur einen Ausweg, und der heißt Neuwahlen.

Bitschi im Interview: "Wo vernünftige Kräfte der ÖVP agieren, funktioniert es"

Vor der Neuwahl sollte wohl noch ein Budget beschlossen werden. Wäre da die FPÖ dabei?

Bitschi Wir sind in einer inhaltlich und vor allem finanziell extrem schwierigen Situation. Schwarz und Blau haben auf Bundesebene zumindest geschafft, das Defizitverfahren der EU abzuwenden. Wir haben uns auf einen Sparkurs geeinigt und ich kann mir gut vorstellen, dass über diesen Kurs jetzt diskutiert wird.

Die FPÖ verschließt sich da nicht?

Bitschi Überhaupt nicht.

Warum schaffen Sie im Land, was Kickl auf Bundesebene nicht geschafft hat? Auch die Vorarlberger FPÖ musste Kompromisse eingehen.

Bitschi Weil man mit Markus Wallner offenbar besser verhandeln kann als mit Christian Stocker.

Wollte die FPÖ im Bund zu viel?

Bitschi Wir wollten alles, damit es mit dem Land wieder in die richtige Richtung geht. Es war von Anfang an klar, dass wir bei den Sicherheitsagenden, bei den Zuwanderungsagenden und bei den Asylagenden einen Schwerpunkt setzen wollen. Da hat die ÖVP wahrscheinlich bewusst den roten Strich so gesetzt, dass wir nicht mitkonnten. Im Nachhinein hat man schon das Gefühl, dass Christian Stocker nur installiert wurde, um das Ganze in Richtung Neuwahl zu bringen.

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Wie ernsthaft war es der FPÖ mit den Verhandlungen? Es sind Forderungen durchgesickert, wie das Ende der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags und der Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden. War da nicht klar, dass die ÖVP nicht zustimmt?

Bitschi Wenn man sich angeschaut hat, wie schnell wir uns darüber einig waren, wie wir das EU-Defizitverfahren abwenden, hat sich gezeigt, dass man mit der ÖVP vernünftig verhandeln kann. Es gab nur plötzlich einen Zeitpunkt, als sich die ÖVP dazu entschlossen hat, nicht mehr inhaltlich zu verhandeln, sondern über Ressorts zu sprechen.

Warum wollte die FPÖ unbedingt das Innenministerium? Die ÖVP hat der FPÖ ein Ressort für Integration und Asyl vorgeschlagen.

Bitschi Da gab es unterschiedliche Ansätze. Zuwanderung, Asyl hat sehr viel mit Sicherheit zu tun. Da hat es für uns wenig Sinn gemacht, das aufzusplittern und damit von vornherein mögliche neue Konflikte innerhalb der Regierung zu schüren.

Stehen Sie voll hinter dem FPÖ-Wunsch, dass Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr über nationalem Recht stehen?

Bitschi Am Schluss ist viel über Details diskutiert worden. Die Stoßrichtung, die ich in Richtung Wien deponiert habe, war, so schnell wie möglich zu schauen, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, Steuersenkungen andenken, entbürokratisieren. Wir brauchen in Wien jetzt dringend eine funktionierende Bundesregierung. Wir haben viele Themen im Land, wo wir an Wien hängen, wo Wien momentan nicht mehr erreichbar ist oder sich niemand zuständig fühlt. Darum bin ich gegen eine Expertenregierung, die dann wieder keine Entscheidungen treffen kann.

Bitschi im Interview: "Wo vernünftige Kräfte der ÖVP agieren, funktioniert es"

Aber das sind keine Details. Bei Rechtsstaatsfragen geht es um das Eingemachte.

Bitschi Natürlich. Aber wenn man nun glaubt, dass es an dem gescheitert ist, ist das einfach eine Verzerrung der Tatsachen. Es ging um grundsätzliche Fragen. Die ÖVP sagt, dass kein Vertrauen zu uns aufgebaut worden ist. Das hat am Anfang der Verhandlungen ganz anders geklungen. Da hatte man das Gefühl, dass die ÖVP wirklich eine Veränderung will.

Schauen wir noch in die Landesregierung. Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Was war die wichtigste Entscheidung bisher?

Bitschi Es gab viele Projekte, die als Luftschlösser auf dem Papier dargestellt wurden, sich aber nicht im Budget wiederfanden. Allein bei den Radverkehrsagenden: Mit allen versprochenen oder in der Pipeline befindlichen Projekten erzeugen wir in den nächsten drei Jahren ein Minus von über 25 Millionen im Landesbudget. Da sind viele Dinge versprochen worden. Ich bin dran, eine klare Prioritätenliste zu erstellen.

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Welche Projekte müssen nach hinten verschoben werden?

Bitschi Es geht darum, dass man die Zeitachsen so definiert, dass das Ganze realistisch ist. Auch beim Verkehr. Das ist der große Vorteil, dass das Ressort nicht mehr getrennt ist in „guten Radverkehr“ und „bösen Straßenverkehr.“ Auch im Wissen, dass die Budgetsituation in den Gemeinden nicht viel besser ist als im Land. Ich werde im ersten Quartal 2025 die Entscheidungen so treffen, dass wir wissen, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Sachen Infrastruktur in Vorarlberg umgesetzt wird.