Gespräche beim Bundespräsidenten: “Wo müssen sich welche Parteien bewegen?”

Neos, Grüne, ÖVP und SPÖ bei Van der Bellen: Politologe unterstreicht Bedeutung von Interessensausgleich.
Schwarzach, Wien Nach dem Ende der blau-schwarzen Regierungsverhandlungen geht es in der Hofburg rund. Am Donnerstag sprach Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit allen Parteichefs außer Herbert Kickl. Beate Meinl-Reisinger (Neos), Werner Kogler (Grüne), Christian Stocker (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ) suchten nacheinander das Staatsoberhaupt auf. Wie es weitergeht, bleibt unklar. Allerdings dürften neue Gespräche innerhalb der Parteien anstehen.
Van der Bellen hatte zuvor vier Möglichkeiten in den Raum gestellt: Neuwahl, Expertenregierung, Minderheitsregierung oder doch noch eine Koalition. Zudem appellierte er an die Kompromissfähigkeit. Auch der Politologe Markus Rhomberg hält das für geboten. Die Parteien müssten noch einmal in sich gehen und austarieren, wie ein Interessensausgleich aussehen könnte.
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FPÖ-Chef Herbert Kickl verfügte vorerst über noch keinen Termin. Er hatte am Vortag den Regierungsbildungsauftrag zurückgelegt. Einen Termin bei Van der Bellen werde er aber selbstverständlich wahrnehmen, sagte Kickl.

Lage zugespitzt
Bevor die Koalitionsgespräche zwischen FPÖ und ÖVP endgültig platzten, hat sich die Situation in den vergangenen Tagen noch einmal deutlich zugespitzt. Rhomberg vergleicht sie mit einem Verkehrsunfall in Zeitlupe, begleitet von Schuldzuweisungen. Schließlich seien die Autos zusammengeprallt. “Was die Politik schaffen muss, ist darüber hinwegzukommen.”

Es sei auch nicht wirklich wichtig, wer schuld an den gescheiterten Gesprächen ist. Nun müssten alle Parteien vielmehr wieder das Gespräch suchen und gemeinsame Lösungen austarieren, betont der Experte für politische Kommunikation und Geschäftsführer des Wissenschaftsverbunds Bodensee. “Ich glaube, dass man in Kompromissen nicht immer den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, sondern möglicherweise auch zu besseren Positionen kommen kann.”

Rhomberg sieht verschiedene Ebenen, die beachtet werden müssten. Einerseits brauche es Handlungsfähigkeit im Nationalrat; entsprechende Mehrheiten, um wichtige Beschlüsse zu fällen. Der Experte nennt etwa das Budgetgesetz. Denn Mitte des Jahres drohe ein Liquiditätsproblem Auch die EU-Kommission werde sich ansehen, ob die von FPÖ und ÖVP eingereichten Sparvorschläge in Gesetzesform gegossen sind.

Andererseits verweist der Politologie auf die vielen Verhandlungen, die bereits stattgefunden haben. “Ich denke, dass man sehr schnell feststellen wird, wo sind eigentlich die Knackpunkte? Wo müssen sich welche Parteien bewegen?”

Der Experte sieht nun insbesondere jene Parteien, die beim Bundespräsident eingeladen waren, am Zug. “Wie können diese vier Parteien, ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne, in welcher Konstellation auch immer, einerseits dafür sorgen, dass sie im Nationalrat Mehrheiten haben, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu organisieren und sich gleichzeitig Gedanken über Regierungskonstellationen machen?”

Der Experte stellte auch eine Minderheitsregierung als denkbare Möglichkeit in den Raum. ÖVP und SPÖ verfügten ebenfalls nur über eine sehr knappe Mehrheit. Mit einem mitunter kostspieligen freien Spiel der Kräfte müsse das nichts zu tun haben, wie das Beispiel Skandinavien zeigt. “Es gibt Vereinbarungen, die im Vorfeld getroffen werden – zwischen jenen Parteien, die eine Regierung bilden und jenen Parteien, welche die Regierung entweder in ihrer Gesamtheit, oder bei bestimmten Politik- oder bestimmten Themenfeldern unterstützen.”