Neue Köpfe
Nachdem auch die blau-schwarzen Regierungsverhandlungen gescheitert waren, wurden wieder Rufe nach „neuen Köpfen“ für die Politik laut: Seit der Wahl haben es Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) sowie zuletzt eben Herbert Kickl (FPÖ) und Christian Stocker (ÖVP) nicht geschafft, eine Koalition zu bilden. Es wirkt unglaublich und kann zur Überzeugung führen, dass es mit solchen Leuten nicht gehe.
Die Schlussfolgerung, dass neue Köpfe die Lösung wären, greift jedoch zu kurz: Die bestehenden sind nicht das Problem, sondern allenfalls Ausdruck eines größeren Problems. Der Niedergang der ehemaligen Großparteien etwa hat auch damit zu tun, dass die Gesellschaft in immer kleinere, unterschiedliche Teile zerfällt. Da ist es unmöglich, sich in gewohnter Weise zu halten. Die Antwort der SPÖ lautet Andreas Babler: Er steht für eine Rückbesinnung auf linke Politik. Die ÖVP wiederum ist nach rechts gedriftet. Immerhin, so die Überlegung, sei dort die FPÖ erfolgreich. Diese ist jedoch das Original und daher am Ende des Tages die Gewinnerin.
Über die Jahre haben sich Schwarze und Rote immer weiter voneinander entfernt. Und zwar gerne so, dass es ihre Anhänger mitbekommen. Womit sie sich jedoch Kompromissmöglichkeiten beraubt haben, die nötig sind, damit sie noch zusammenfinden könnten.
Was jetzt umso verhängnisvoller ist, als die Herausforderungen, die nicht nur, vor allem aber auf Bundesebene anstehen, gewaltig sind: Es gilt, eine Rezession zu überwinden, das Pensions- und das Gesundheitssystem zu sichern, auf die militärische Bedrohung zu reagieren, die von Russland ausgeht etc. Nicht zu vergessen, weil am wichtigsten: Mehr denn je sollte bei den Leuten Zuversicht wiederhergestellt und gestärkt werden.
Neue Köpfe allein würden da nichts bringen. Sofern sie erwünscht wären. In der FPÖ überwiegt die Begeisterung über Herbert Kickl. Tatsächlich sollte man nicht übersehen, dass er es bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gezielt auf ein „Alles oder nichts“ angelegt hat. Er will „Volkskanzler“ werden. Das schließt aus, dass er sich mit einer anderen Partei arrangiert. Er gibt vor, bedingungslos „der Bevölkerung“ zu dienen. Nach dieser Logik hat die ÖVP das jetzt verhindert, ist „die Böse“. Im Hinblick auf kommende Wahlen sollte man das nicht vergessen. Es will erwidert werden.
Die Sehnsucht nach besseren Politikern bleibt selbstverständlich begründet. Experten fehlt jedoch die demokratische Legitimation und oft auch die Gabe, eine solche bei Urnengängen zu erhalten. Zweitens: Ehe man sich auf die Suche nach vermeintlichen Wunderwuzzis macht, muss man sich insbesondere bei ÖVP und SPÖ fragen, wie man sich inhaltlich ausrichten könnte, um mit einem bestimmten Angebot zum Beispiel 30 Prozent der Wähler zu überzeugen; und wie man gleichzeitig auch eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Partei eingehen könnte, ohne bei Wahlen zu verlieren. Erst dann macht es überhaupt Sinn, über neue Köpfe nachzudenken.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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