Regierung der Lösungen?
Die monatelangen Koalitionsverhandlungen mit der Einigung auf Schwarz-Rot-Pink haben einen Verlierer: Herbert Kickl. Er hat es versemmelt. Anders kann man sein Verhalten bei den Verhandlungen mit der ÖVP nicht bezeichnen. Bisher hat sich die FPÖ bei Regierungsbeteiligungen jeweils selbst in die Luft gesprengt. Neu ist, dass sie die Chance zu regieren, schon vorher vermasselt hat. Diese Erkenntnis dämmert auch manchen in der FPÖ. Selbst Andreas Mölzer, früher Europa-Abgeordneter der FPÖ, hat Kickl vergeblich geraten, vernünftige Kompromisse einzugehen, wenn er Kanzler werden wolle. Der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt hat Kickl in einem Online-Kommentar scharf kritisiert. Dessen Vorgehen sei logisch nicht mehr erklärbar. Kickl habe eine nie wiederkehrende Chance verpasst. Im Ö1-Morgenjournal sage Höbelt sogar, es mache keinen Sinn, FPÖ zu wählen, wenn die Partei solche Chancen ungenutzt lasse. Dass Höbelt Kickl als den „Alberich von Radenthein“ bezeichnet hat: Diesen Vergleich mit dem Zwerg aus der Nibelungensage wird der zur Wehleidigkeit neigende Kickl seinem Parteifreund wohl nie verzeihen.
Die nunmehrige Koalition ist ein Kompromiss im Sinn des Bundespräsidenten. Das ist nicht nichts, hat aber auch keine Bestandsgarantie. Nur gemeinsam Kickl zu verhindern, ist kein geeignetes Programm. Beim Migrations-Thema werden auch in Zukunft rechtspopulistische Parteien beim Wähler die Nase vorn haben, solange Europa insgesamt keine gemeinsame Lösung findet. Was die neue Koalition braucht, ist ein Gegenmodell zum blauen Populismus. Das muss bei der Stärkung des Wirtschaftsstandorts beginnen. „It`s the economy, stupid“ – „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“. Der Satz stammt aus der erfolgreichen Präsidentschaftskampagne von Bill Clinton 1992 und hat sich zu einem geflügelten Wort in der politischen Analyse entwickelt. Er wird verwendet, um die Wichtigkeit wirtschaftlicher Themen für die Wähler zu betonen. Bei der ARD-Talkmasterin Caren Miosga wurde unlängst demonstriert, wie blank die AfD, die Schwesterpartei der FPÖ, bei Wirtschaftsthemen ist. Ihre Vorsitzende Alice Weidel träumte von der Rückkehr zur D-Mark oder der Rückabwicklung der EU. Gerade das wäre angesichts der globalen Herausforderungen eine Katastrophe. Zitat aus der Sendung, vor dem Hintergrund der von Trump geplanten Strafzölle; „Wie wollen sie den USA die Stirn bieten, wenn die EU nicht mit einer Stimme spricht?“ Das gilt für die geplante und jetzt doch nicht verwirklichte „Festung Österreich“ der FPÖ haargenau so. Das wäre nationale Abschottung statt einem Europa, das Donald Trump die Stirn bietet.
Man stelle sich einmal vor, Herbert Kickl hätte sich bei den Koalitionsgesprächen als Staatsmann und kompromissfähig erwiesen (er ist beides nicht, er ist ein rhetorisch geschickter Oppositionspolitiker) und eine Regierung zustande gebracht. Man stelle sich weiter vor, Kickl hätte dann im Rat der Regierungschefs in Brüssel die Einigkeit Europas gegen Trump blockiert. Das Ergebnis für Europa und für die Exportnation Österreich wäre katastrophal. Das ist uns erspart geblieben. Wir sind noch einmal davongekommen.
Wer die FPÖ schlagen will, muss das auf den Gebieten tun, bei denen sie wenig kompetent ist. Man darf gespannt sein, was die Dreier-Koalition anbietet: Die dringend benötigten Impulse für die Wirtschaft, die Stärkung des Wirtschaftsstandorts? Vorschläge, die den Bürgern wieder Mut machen, dass es wieder aufwärts geht? Wir brauchen eine Regierung der Lösungen (© Alexander Van der Bellen).
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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