Gesellschaftsdienst
In den 2000er Jahren ist die Wehrdienstzeit in Österreich auf sechs Monate verkürzt worden, hat Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) verpflichtende Milizübungen abgeschafft. Die Erklärungen waren plausibel: Die Bedrohungslage habe sich verändert und die hohe Einsatzbereitschaft der reinen Verteidigungskräfte sei nicht mehr erforderlich.
Es war eine andere Zeit, in der auch Stimmen für die Einführung eines Berufsheeres laut wurden: Wenn, dann brauche man nur noch kleine, flexible, professionelle Kräfte, so die Begründung, die damals sehr viel für sich hatte: Es schien auszureichen, um die Verteidigungsfähigkeit, über die man laut Neutralitätsgesetz immer verfügen muss, pro forma aufrechtzuerhalten.
Bei einer Volksbefragung sprach sich im Jänner 2013 jedoch eine klare Mehrheit der Wähler dafür aus, die Wehrpflicht beizubehalten: Bundesweit taten es 60 Prozent und in Vorarlberg gar 66 Prozent. Ein wesentliches Motiv dafür war, dass damit auch der Zivildienst erhalten geblieben ist. Das galt sogar als wichtiger als die militärische Sicherheit.
Heute würde es gute Gründe geben, die Wehrpflicht nicht nur auf Männer zu beschränken, sondern auch auf Frauen auszuweiten; und im Übrigen die Wehrdienstzeit auf neun Monate zu verlängern.
Die Bedrohungslage hat sich radikal geändert. Wobei: Man sollte von einem verpflichtenden Gesellschaftsdienst für alle sprechen, bei dem es eine freie Wahlmöglichkeit gibt zwischen Wehr- und Zivildienst bzw. einer Tätigkeit beim Bundesheer oder einer Hilfsorganisation zum Beispiel; darauf könnte es im Ernstfall nämlich zumindest genauso ankommen.
Unbestritten ist, dass die bestehenden sechs Monate Wehrdienstzeit für Soldaten vollkommen unzureichend sind, um Notwendiges zu erlernen; dass dafür mehr Zeit und dann vor allem auch immer wieder Übungen erforderlich wären. Darüber hinaus wird es zunehmend schwieriger, zivile Dienste im weitesten Sinne in ausreichendem Maße zu gewährleisten; zumal da ohnehin schon Personalmangel herrscht.
Vor diesem Hintergrund könnte es aus zwei Gründen sinnvoll sein, nicht nur für ein Bundesheer zu sorgen, das genügend ausgebildete Kräfte hat, sondern auch für einen stärkeren Zivildienst: Damit könnte man eher dem Bedarf gerecht werden, den es gerade in Ausnahmezuständen in so vielen Bereichen geben würde; bei Blaulichtorganisationen oder im Sozial- und im Pflegewesen etwa, wo bei weitem nicht alle, aber viele Tätigkeiten auch von jungen Leuten ohne Fachausbildung ausgeübt werden können.
Damit könnte man der Gesellschaft insgesamt Gutes tun: Auf der einen Seite würde es vollständigen (!) Jahrgängen, die Wehr- oder Zivildienst leisten, verdeutlichen, wie wichtig jeder und jede Einzelne für das große Ganze ist. Und es würde auf der anderen Seite allen Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass sie sich im Fall des Falles auf ein gesellschaftliches Zusammenwirken verlassen können. Das würde Sicherheit geben.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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