„Lage hat sich dramatisch verändert“

Politik / 12.03.2025 • 15:46 Uhr
Die Angelobung von Rekruten hat Tradition am Nationalfeiertag. apa
Bundesheer-Soldaten: 27 Prozent der Vorarlberger sprechen sich voll und ganz sowie weitere 28 Prozent eher dafür aus, die Neutralität beizubehalten.Foto: APA

Sicherheitsexperte Eder: Auf europäische Solidarität kommt’s jetzt an, auch für Österreich.

SCHWARZACH. „Die Lage hat sich dramatisch verändert“, sagt der Sicherheitsexperte Franz Eder von der Universität Innsbruck: „Die USA haben das Camp gewechselt, sind dabei, sich mit Russland und China die Welt aufzuteilen in Einflusssphären, bei denen es allein auf militärische Stärke ankommt.“

Besonders für kleine Staaten wie Österreich sei das „ein Horror“. In der bisherigen Weltordnung seien sie relativ sicher gewesen und hätten davon ausgehen können, dass ihre Souveränität genauso respektiert wird wie ihre territoriale Integrität. Damit sei Schluss. Für Österreich komme dazu, dass es nicht mehr darauf verweisen könne, ohnehin weitgehend von Nato-Staaten umgeben zu sein, so Eder: Die Nato sei, „wie es ausschaut, tot“.

Franz Eder
„Die Neutralität wird als Teil der österreichischen Identität betrachtet. Sehr viele Menschen sehen aber, dass sie uns nicht schützt”, stellt Franz Eder fest. Foto: Andreas Friedle

Für Europa gehe es jetzt darum, zu überlegen, wie man Sicherheit selbst organisieren könne. Und für Österreich darum, eine Frage zu klären: „Wollen wir als Kleinstaat in einer Welt leben, in der wir den Großen ausgeliefert sind oder wollen wir daran mitwirken, dass die bisherige Weltordnung zumindest für Europa erhalten bleibt.“ Dafür notwendig wäre solidarisches Handeln im europäischen Kontext: „Die Sicherheit Österreichs ist mittel- und langfristig nur dadurch garantiert.“

In der Bevölkerung sieht Eder längst Bewegung. Regelmäßig führt er mit einem Team Erhebungen durch: „Die Neutralität wird als Teil der Identität betrachtet. Sehr viele Menschen sehen aber, dass sie uns nicht schützt.“ In Vorarlberg sprechen sich 27 Prozent voll und ganz sowie weitere 28 Prozent eher dafür aus, sie beizubehalten. In Summe also 55 Prozent. Gleichzeitig gilt als weniger klar, dass sie wirkt: Der Aussage, dass sie davor bewahre, in Kriege verwickelt zu werden, stimmen 21 voll und ganz sowie 25 grundsätzlich zu. Das sind insgesamt 46 Prozent. Für 16 Prozent ist das offen. 24 Prozent stimmen der Aussage nicht, zehn Prozent überhaupt nicht zu.

Die Bekenntnisse zur Neutralität und zu einer Beteiligung an einer Europäischen Verteidigungsunion im Regierungsprogramm seien kein Widerspruch. Österreich habe das rechtlich geklärt. Im Falle eines Angriffs auf ein Mitgliedsland könnte es militärisch Beistand leisten, wie es im EU-Vertrag vorgesehen sei: „Wir müssen nicht, dazu gibt es eine Ausnahmebestimmung, können aber. Damit müssen wir uns jetzt auseinandersetzen. Persönlich sage ich: Wir können nicht in einer Solidargemeinschaft leben, in der Solidarität eine Einbahnstraße ist.“

Die Klärung dieser Frage sollte vor einer weiteren Erhöhung der Verteidigungsausgaben erfolgen, wie Eder betont: Dann wisse man, wofür man sie brauche. Eine solche hat die neue Regierung bereits angekündigt. Laut der Umfrage sind elf Prozent der Vorarlberger für eine starke und 38 Prozent für eine gewisse Erhöhung. 26 Prozent wollen keine Veränderung, sechs Prozent eine gewisse Kürzung, drei Prozent eine starke.

„Im Kern geht es darum“, so Eder: Schafft es Europa und damit auch Österreich, stark genug zu werden, um in der Welt gehört zu werden?“ Es sei möglich: „Wir sind wirtschaftlich stark, haben militärisch Potenzial. Und wir können auch das Vakuum füllen, das die USA bei der Entwicklungszusammenarbeit aufreißen.“ Das wäre ebenfalls ein Beitrag dazu, sich mehr Gewicht zu verleihen in der neuen Welt.