Kommentar: Optimismus auf gut Vorarlbergerisch

„Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Der Schriftsteller Johannes Mario Simmel stieß auf diesen Satz an einer Klostermauer. Seither wird er vor allem falsch zugeschrieben. Wer den Spruch heute ins diskursfreudige Umfeld wirft, wird gefragt, ob er Koks im Morgentee hatte. Denn angesichts von Trump, Putin und dem Krieg in der Ukraine ist Fröhlichkeit ein Verdachtsmoment.
Und doch: Fröhlich war man vergangene Woche in Vorarlberg: bei einer Konferenz in Zürs – inzwischen im 19. Jahr –, die sich stets wie eine Après-Ski-Verdichtung von Macht und Gedanken anfühlt, angetrieben von einem erstaunlich sinnvollen Maß an Ehrgeiz und Eitelkeit. Unternehmer, Manager und Kommunikationsdirigenten (generisches Maskulinum) reichten sich Bergkäse und Schlagworte, und inmitten der Diskussionspanoramen blitzte ein erstaunlich stabiler Gedanke auf: Vielleicht ist Europa ja doch nicht verloren. Vielleicht bewirken Trump & Co. genau das, was Merkel nie zustande gebracht hat: einen „Ruck durch Europa“. Die drei Worte sind so abgegriffen, dass man ihnen einen Rollator besorgen müsste – aber in Zürs wurden sie noch einmal aufpoliert.
Der Ruck soll in Form von gemeinsamer Verteidigung und geballter Industriepolitik kommen, so heißt es. Europa – endlich nicht mehr bloß eine müde Frühstücksgemeinschaft mit Hang zu Vorschriften über Olivenöldosierung und Wattestäbchenkrümmung. Das Beispiel Airbus wird da stets mit absoluter Sicherheit zitiert.
Und ja: Es bewegt sich etwas. Frankreich, Deutschland, Großbritannien schieben erste Rüstungskooperationen an. Nur Österreich, der ewige Sicherheitsparasit, steht mit neutraler Miene daneben und fragt, ob’s das auch als Veggie-Variante gibt. In der EU-Dramaturgie ist Österreich der Cousin, der zur Beerdigung kommt, aber nichts ins Kranzgeld einwirft.
Trotzdem: Ökonomisch sieht es nicht so schlecht aus. Die USA pumpen sich mit Schulden auf wie ein steroidgefütterter Sumoringer – 120 Prozent der Wirtschaftsleistung. China 84 Prozent, Indien 83 Prozent. Und Europa? Deutschland 63 Prozent, EU-27 81 Prozent. Wenn Schulden ein Gradmesser der Zukunftsfähigkeit sind, dann liegt Europa in Relation zu den USA nicht im Spital, sondern im Fitnessstudio – vielleicht nicht am Laufband, aber zumindest schon umgezogen.
Und dann noch die Frage: Wo wollen die klugen Köpfe leben? In Trumps Amerika, wo man zuerst betet und dann schießt? In Putins Russland, wo Nostalgie mit Gasmaske serviert wird? In China, wo selbst der Kühlschrank weiß, was du zum Frühstück gedacht hast? Oder doch in Europa – dem letzten Kontinent mit Rückgrat, Meinungsfreiheit und halbwegs funktionierender Espressomaschine?
Vielleicht ist es genau das, was uns so fröhlich macht: Dass der Wahnsinn ringsum so grell leuchtet, dass unser eigenes Chaos fast gemütlich wirkt. Und weil wir trotz aller Differenzen doch noch wissen, dass man nicht alles zerstören muss, nur weil man es gestalten könnte.
Oder wie Simmel wusste: Die Fröhlichkeit ist manchmal nur der Deckmantel des gesunden Misstrauens