Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Kommentar: Boykott wirkt

Politik / 24.03.2025 • 07:20 Uhr

Muss die übrige freie Welt tatenlos zuschauen, wie der irrlichternde US-Präsident drauf und dran ist, eine globale Wirtschaftskrise herbeizuführen, inklusive seines eigenen Landes? Nein, tut sie auch nicht wie die überraschende Gegenwehr der lange zahnlosen EU gerade zeigt, einschließlich Isolierung des Querulanten Viktor Orbán. Muss die Bevölkerung der übrigen freien Welt tatenlos zuschauen? Nein, und das tut sie auch nicht. Das zeigen die Reaktionen der Konsumenten in den aktuell am meisten von Trump attackierten Ländern Kanada und Dänemark. Kanada ist für Trump der „51. US-Bundesstaat“, den er mit massiven Zöllen attackiert. Kanadische Verbraucher boykottieren immer mehr US-Produkte und kaufen regional. Eine eigens entwickelte App ermöglicht es, heimische Waren zu identifizieren und den US-Boykott zu unterstützen. Kreative Ideen sorgen weltweit für Schlagzeilen, etwa wenn ein Cafè das beliebte Kaffee-Getränk „Americano“ in „Canadiano“ umtauft.

Massiv reagieren die Verbraucher in Dänemark. Trump will sich ja Grönland unter den Nagel reißen. Die größte Supermarktkette, die Salling Group, hat ein sternförmiges Etikett eingeführt, um europäische Produkte im Regal kenntlich zu machen. Boykottgruppen in sozialen Medien erleben weltweit rasanten Zulauf, allein die dänische Facebook-Seite „Boykottiert Waren aus den USA“ hat über 80.000 Follower. In Deutschland können sich fast zwei Drittel der Befragten vorstellen, US-Produkte zu meiden. Etwa die Hälfte gab an, bewusst auf solche Produkte zu verzichten. In den Niederlanden ist ein signifikanter Anstieg der Messenger-App Signal zu verzeichnen, weil die Verbraucher Alternativen zu US-Diensten wie Whats-App suchen.

Welche Wirkung ein vor allem durch soziale Medien befördertes Konsumenten-Verhalten haben kann, sieht man am Beispiel des Tesla von Trump-Intimus Elon Musk. Es begann damit, dass Tesla-Besitzer das Logo vom Auto abkratzten oder zumindest mit einem Aufkleber überdeckten („I bought this before Elon went crazy“), bei Amazon ein Verkaufsschlager. Mittlerweile legen zahlreiche Online-Händler den Kleber in verschiedenen Variationen auf, zu Preisen zwischen acht und zwölf Euro, gerade auch auf Deutsch („Ich habe es gekauft, bevor er verrückt wurde“- oder „Auto hui, Elon pfui“). Andere Besitzer überkleben das Tesla-Logo mit dem Logo anderer Marken. Noch wirkungsvoller erweist sich der Verzicht auf den Tesla-Kauf. Deutschland: Rückgang im Februar um 76 Prozent, Frankreich: Rückgang um 63 Prozent. Ein französischer Unternehmer, Romain Roy, hat alle Tesla-Bestellungen storniert und europäische E-Autos mit Mehrkosten von 150.000 Euros gekauft. Sein Motto: „Einzelne Verbraucher, die Gesellschaft, unsere Länder, Europa – wir müssen reagieren“. Schweden: ein Minus von 44 Prozent. Und Österreich? Im Februar wurden bei uns 262 Teslas neu zugelassen. Ein Minus von 70 Prozent gegenüber dem Vormonat. Der Marktanteil von Tesla bei den Neuzulassungen ist von 25 Prozent im Vorjahr auf sechs Prozent im Februar 2025 gesunken. Obwohl der gesamte-E-Auto-Markt in Österreich in dieser Zeit um 31 Prozent gewachsen ist (Quelle: Statistik Austria). Die Tesla-Aktie hat seit Mitte Dezember über 50 Prozent des Wertes verloren.

Protestieren kann man auch im Kleinen. Müssen es amerikanische Softdrinks sein? Ahornsirup, Zahnpasta, Erdnuss-Butter, Ketchup, kalifornischer Wein? Ein solcher Boykott ist großteils noch symbolisch. Kann sich ja ändern.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.