“Die Gemeinden haben in drei Jahren zwei Drittel ihrer Spielräume verloren”

Politik / 25.03.2025 • 13:29 Uhr
"Die Gemeinden haben in drei Jahren zwei Drittel ihrer Spielräume verloren"
Manchen Vorarlberger Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals. Die Prognosen sind nicht rosig. KDZ-Geschäftsführer Peter Biwald berichtet, wie sich die Gemeinden wieder mehr finanziellen Spielraum verschaffen könnten. APA

Österreichs Budgetdefizit ist noch größer als angenommen. Statt sechs, müssten heuer zwölf Milliarden gespart werden. Das trifft auch die Länder hart.

Wien Die düsteren Wirtschaftsaussichten haben ihre Konsequenzen: Bislang ging die neue Bundesregierung von ÖVP, SPÖ und Neos davon aus, dass 6,4 Milliarden Euro in diesem, und rund 8,7 Milliarden im kommenden Jahr gespart werden müssen. Nun sind alleine heuer zusätzlich vier bis sechs Milliarden Euro nötig, sagt Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt. Eine wichtige Rolle spielen die Bundesländer und Gemeinden, betont er. Viel Spielraum haben diese aber nicht.

So erwarten mehrere Bundesländer hohe Defizite, was zwar keine neue Entwicklung ist. Die Lage verschärft sich allerdings. Ein Bericht des Fiskalrats, der sich auf Zahlen von 2023 bezieht, zeigt, dass auch Vorarlberg zu kämpfen hat – und nicht das einzige Bundesland ist, in dem es bergab geht. Während die Länder 2023 um fünf Prozent mehr eingenommen haben als 2022, wuchsen die Ausgaben mit 11,9 Prozent (Länder) deutlich stärker an.

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Gemeinden kämpfen

Auch den Gemeinden geht es nicht gut, sagt Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ): “Bei den Ertragsanteilen gibt es eine Stagnation.” Die Einnahmen aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben liegen mit rund 560 Millionen Euro pro Jahr für die Vorarlberger Gemeinden etwa auf dem Niveau von 2022. Gleichzeitig nehmen die Ausgaben inflationsbedingt stark zu. “Die Personalausgaben sind zwischen 2022 und 2025 um 30 Prozent, das sind 100 Millionen Euro, gestiegen, die Sachausgaben um 80 Millionen und die Umlagen vor allem für Sozialhilfen und Krankenanstalten um 55 Millionen Euro”, zählt Biwald auf. Diese Einnahmen- und Ausgabenschere führt dazu, dass der Überschuss der operativen Gebarung in den Vorarlberger Gemeinden von 189 Millionen Euro im Jahr 2022 auf heuer voraussichtlich höchstens 60 Millionen Euro fällt. “Die Gemeinden haben in den vergangenen drei Jahren zwei Drittel ihrer Spielräume verloren”, fasst der KDZ-Geschäftsführer zusammen.

Die Gründe sind vielseitig: Die Zinsausgaben haben sich verdoppelt. Die Personalkosten machen mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben von Land und Gemeinden aus. Gleichzeitig muss auch das Land Vorarlberg sparen, das mit den Gemeinden viele Aufgaben gemeinsam zu erledigen hat.

Der Spielraum für die Gemeinden, einen Beitrag zur Entschuldung zu leisten, ist also überschaubar. “Viele Expertinnen und Experten sagen, dass Österreich eine sehr starke Aufgaben- und Finanzierungsverflechtung hat”, weist Biwald auf eine Option hin und nennt Beispiele für mögliche Entflechtungen: “Das kann sein, dass zum Beispiel ein Partner – etwa das Land – die Krankenanstalten übernimmt und der andere Partner – etwa die Gemeinden – sich vollständig um die Elementarpädagogik und Kinderbetreuung kümmert.” Eine Möglichkeit sind auch Gemeindekooperationen. Ein wichtiger Hebel wäre laut Biwald eine Reform der Grundsteuer, die seit 20 Jahren nicht reformiert worden ist.

Mehr Aufgaben, weniger Geld

Grundsätzlich sind die Aufgaben von Ländern und Gemeinden gewachsen. Diese Verschiebung der Ausgabenlast wurde kürzlich auch in einer Wifo-Studie bestätigt. Die Gemeinden sind vor allem stark von der Dynamik in der Kinderbetreuung betroffen, sagt Biwald. Bei der Finanzierung der Krankenanstalten seien sie gar “Passagiere” und hätten nicht viel mitzureden.

EU-Budgetdefizitverfahren wird wahrscheinlicher

Angesichts der düsteren Aussichten könnte nun ein EU-Defizitverfahren ins Haus stehen. Das sei aber kein Grund zum Fürchten, betonten Fiskalratspräsident Badelt und Finanzminister Markus Marterbauer im Budgetausschuss in Wien. Der Sparbedarf wäre dann 2024 sogar bedeutend geringer. Marterbauer erwartet zudem keinen Risikoaufschlag auf Zinssätze, solange glaubhaft demonstriert werde, dass das Defizit abgebaut wird. Auch bei einem Defizitverfahren seien alle Entscheidungen weiterhin “in unserer Hand”, sagte er. Es gelte lediglich, sich mit Brüssel abzustimmen, betonte der Finanzminister.