Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Kommentar: Pensionsreform jetzt

Politik / 29.03.2025 • 07:15 Uhr

Im sechsten Krisenjahr steht Österreich alles in allem schlecht da im europäischen Vergleich: Die öffentliche Neuverschuldung ist hoch, die Preise sind stark gestiegen, Wirtschaftsleistung und Wohlstand gesunken. Inflationsbereinigt ist das Pro-Kopf-Einkommen heute niedriger als 2019. Das heißt, dass sich der Durchschnitt weniger leisten kann als damals.

Gründe sind bekannt. Populistische Politik hat zu lange „Koste es, was es wolle“ betrieben und Geld verteilt, ohne auf individuelle Bedürfnisse zu achten. Klimabonus wie Pendlerpauschale wurden zwischendurch für alle Bezieher erhöht, die Einkommensverhältnisse spielten keine Rolle.

Im Grunde genommen handelte es sich um eine Wette: Die Regierung setzte darauf, dass bald fette Jahre daherkommen, in denen sich die Kassen durch zusätzliche Steuereinnahmen wieder füllen. Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat das sogar zugegeben: Es brauche kein Sparpaket, behauptete er, mehr Wirtschaftswachstum werde es richten. Dumm nur, dass die Wette verloren gegangen ist.

Schlimmer ist jedoch, dass keine Lehren daraus gezogen werden. Man will nicht einmal wissen, wie die gesamtstaatliche Budgetlage wirklich ist: Es gibt keinen aktuellen, zusammenfassenden Überblick über die Defizite von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen. Zahlen folgen erst Monate im Nachhinein. Kein Unternehmen würde das lange überstehen.

Abgesehen davon heißt Budgetsanierung noch immer Löcherstopfen. Das ist nicht nachhaltig. Zitat WIFO: „Konsolidierungserfolge werden durch die weiterhin dynamisch wachsenden Pensions- und Gesundheitsausgaben und durch die nun merklich höhere Zinsausgabenbelastung der öffentlichen Haushalte geschmälert werden.“

Eine ernsthafte Pensionsreform ist nicht vorgesehen. Lieber mutet man Pensionisten einen erhöhten Krankenversicherungsbeitrag zu. Das Notwendige verdrängt man weiter. Damit gemeint ist eine überfällige Anhebung des Pensionsalters. Nein, keine schlichte, sondern eine, die sich an der Lebenserwartung orientiert. Das würde bedeuten, dass das Alter um ein, zwei Monate Jahre pro Jahr steigen würde. Geht nicht? Alles ist möglich: Man könnte berücksichtigen, dass das eher nur Menschen zumutbar ist, die mit 65, 66 noch fit sind (was aufgrund des zunehmenden Bildungsstandes erfreulich viele sind). Man könnte altersfreundliche Unternehmenskulturen fördern, Übergänge vom Erwerbsleben in die Pension fließender gestalten etc.

Es ist schwer zu verstehen, warum ÖVP und SPÖ, aber auch die FPÖ das verweigern: Damit lassen sie es auf weitere Wohlstandsverluste ankommen. Ja, ja: „Ein bisschen weniger Butter aufs Brot geht schon“, mag man sich denken, wenn es einem gut geht. Man sollte jedoch sehen, dass diese Entwicklung A) für jene katastrophal ist, die bereits zu kämpfen haben und B) psychologisch gefährlich ist für nachfolgende Generationen: Bei ihnen könnte der ohnehin schon schwindende Glaube an eine (noch) bessere Zukunft, der ein wichtiger Antrieb für Eltern und Großeltern gewesen ist, ganz verschwinden.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.