Vorarlbergs Pro-Kopf-Verschuldung um 17 Prozent gestiegen

Der Ruf nach einer Reform des Föderalismus wird lauter. Die Länder und Gemeinden sehen hingegen kaum Einsparpotenziale.
Wien, Schwarzach Das gesamtstaatliche Defizit ist noch höher als zuletzt prognostiziert: Die Defizitquote liegt bei ganzen 4,7 Prozent bzw. bei 22,5 Milliarden Euro. Das zeigen die neuen Zahlen der Statistik Austria, die am Montag präsentiert wurden. Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr nannte sie “schockierend”. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) forderte einmal mehr eine “gemeinsame, gesamtstaatliche Kraftanstrengung” – dieser Appell geht auch in Richtung Länder. Diese haben jedoch abgeblockt, einen höheren Beitrag zur Budgetsanierung zu leisten, obwohl die Pro-Kopf-Verschuldung auch bei ihnen gestiegen ist. Vorarlberg liegt beim Anstieg sogar auf Platz 2.
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Der Schuldenstand belief sich laut Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas insgesamt auf 394,1 Milliarden Euro im Vorjahr. Hätte Österreich die Drei-Prozent-Maastricht-Grenze einhalten wollen, hätte die Republik 2024 um acht Milliarden weniger ausgeben dürfen. Österreichs Wirtschaft habe im Vorjahr seinen Sinkflug mit einem Rückgang von 1,2 Prozent fortgesetzt, nennt Thomas weitere Gründe. Das betrifft vor allem eine kräftige Industrierezession. Auch heuer rechnen die Wirtschaftsinstitute mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, jedoch “nur” noch um 0,2 bis 0,3 Prozent. Gleichzeitig sind die Ausgaben wesentlich kräftiger angestiegen als die Einnahmen, und zwar um 8,8 Prozent auf 271, 3 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Sozialausgaben haben zum Beispiel um 10,6 Prozent (vorrangig für die Pensionen) und der Personalaufwand um 10 Prozent zugelegt.

Pro-Kopf-Verschuldung stieg in Vorarlberg stärker
Wer trägt nun Schuld an der explodierenden Neuverschuldung? Dieser Frage widmete sich auch die Statistik Austria. Die ernüchternde Antwort: Alle Gebietskörperschaften tragen dazu bei. Der Bundessektor hat 7,1 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen, bei den Bundesländer ohne Wien waren es zwei Milliarden Euro, in den Gemeinden, einschließlich Wien, 2,6 Milliarden Euro. Vorarlberg kam auf einen negativen Finanzierungssaldo von 150,8 Millionen. Zum Vergleich: In Niederösterreich waren es 486,5 Millionen Euro, in der Steiermark 525,5 Millionen Euro, in Salzburg 330,8 Millionen Euro. Die Neuverschuldung der Stadt Wien im vergangenen Jahr lag bei fast 1,7 Milliarden Euro. Im Gemeindesektor war es österreichweit ohne Wien ein Minus von 952 Millionen Euro.
Aufschluss gibt ein Blick auf die gemeinsame Verschuldung von Land und Gemeinde pro Bundesland pro Kopf. Im Durchschnitt lagen diese laut vorläufigem Ergebnis bei 5600 Euro. In Vorarlberg lag dieser Wert deutlich niedriger mit etwa 4200 Euro, stieg jedoch um 17 Prozent. Das ist der höchste Anstieg nach Salzburg mit ganzen 26,8 Prozent. In Wien waren es zum Beispiel 14,9 Prozent. “Der österreichische Staat war Ende 2024 mit 42.849 Euro pro Kopf der Bevölkerung verschuldet“, erläuterte Statistik-Austria-Generaldirektor Thomas.
“Wir müssen uns alle an einen Tisch setzen und über Reformen sprechen, nicht nur über Geld. Gleichzeitig muss auch jeder selber seine Hausaufgaben machen”, sagte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) den VN zu den aktuellen Zahlen. Die finanziellen Auswirkungen der Krisen beliefen sich alleine in Vorarlberg auf rund 570 Millionen Euro, betont er. “Wir sind bei der Pro-Kopf-Verschuldung österreichweit auf Platz 4, da wir neben den Kosten zur Bewältigung der Krisen und deren Folgen auch die Investitionen hochgehalten haben”, sagt Wallner. Neben notwendigen Sparmaßnahmen seien auch langfristig nachhaltige Investitionen getätigt worden. “Gute Finanzpolitik heißt, dass langfristig gedacht wird.”
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Diskussion über Beitrag der Bundesländer
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung müssen nun “konstruktive Pläne” vorlegen, fordert Felbermayr: “Im eigenen Interesse.” Zudem plädiert das Wifo einmal mehr für eine Reform des Föderalismus. Denn, so Felbermayr, diese “enorme Negativüberraschung” werfe ein “ganz schlechtes Licht” auf Österreichs Föderalismus. Der Wifo-Chef hat dazu konkrete Vorschläge: Eine Stärkung der Abgabenautonomie der Länder und Gemeinden, eine klare Zuordnung von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung und eine Stärkung der Aufgabenorientierung im Finanzausgleich. Es gelte, jetzt mit der Vorbereitung für den nächsten Finanzausgleich zu beginnen. Der aktuelle läuft bis Ende 2028.
Die Landeshauptleute hatten vergangene Woche jedoch betont, kaum Möglichkeiten für Einsparungen zu sehen. Auch Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (ÖVP) verwies auf die ohnedies schlechte Finanzsituation der Gemeinden. Eine schwache Wirtschaft erfordere auch mehr Ausgaben, etwa in Gesundheit, Pflege und Kinderbetreuung. Er will nun auf eine Strukturreform in der Verwaltung setzen. Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung, verwies im Gespräch mit den VN über Einsparpotenziale in den Gemeinden etwa auf eine Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung und auf eine stärkere Kooperation der Gemeinden. Eine Reform der Grundsteuer könnte zusätzlich Geld in die leeren Kassen spülen.