Reform könnte Sozialhilfe völlig auf den Kopf stellen

Das AMS soll zukünftig für einen Teil der Sozialhilfe zuständig sein. Bei der geplanten Änderung sind aber noch viele Fragen offen.
Schwarzach Die Sozialhilfe ist ein kompliziertes Konstrukt. Es gibt Höchstsätze, die aber variabel sind. Die Kinderrichtsätze ändern sich mit der Zahl der Kinder pro Haushalt, manche sind Aufstocker, benötigen Sachleistungen oder sind Härtefälle. Jeder Fall ist anders. Was allerdings klar ist: Für die Sozialhilfe sind die Bundesländer zuständig. Sie verwalten die Hilfe und bezahlen sie. Die Bundesregierung plant, dies zum Teil zu ändern – was am Ende alles noch einmal ein Stück komplizierter machen könnte. Jedenfalls sind noch viele Fragen offen, sagt Vorarlbergs Soziallandesrätin Martina Rüscher.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Die Bundesregierung plant, einen Teil der Zuständigkeit an das Arbeitsmarktservice (AMS) zu verschieben. Das AMS soll zukünftig für jene Sozialhilfe-Empfänger zuständig sein, die als arbeitsfähig eingestuft werden. Laut Regierungsprogramm soll es für Sozialhilfe-Auszahlung und -Sperre zuständig sein sowie für die Vermittlung in Jobs und Schulungen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Im Sozialministerium bleibt man zu Details noch vage. “Die Reform der Sozialhilfe ist eine der größten und auch herausforderndsten Aufgaben des Ministeriums”, erklärt eine Sprecherin den VN. Die Regierung möchte die Regeln vereinheitlichen, berichtet sie weiter. “Darüber hinaus geht es darum, alle arbeitsfähigen Menschen in Beschäftigung zu bringen.” Dies soll laut Regierungsprogramm eben mit dem AMS gelingen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Landesrätin Rüscher spricht sich zwar grundsätzlich für den Vorschlag aus. Fügt aber an: “Beim AMS fehlt derzeit die personelle Struktur, um das auch übernehmen zu können. Im Gegensatz zu den Bezirksverwaltungsbehörden.” Denn derzeit wird die Sozialhilfe über die Bezirkshauptmannschaften abgewickelt. Die BH können dieses Personal nicht dem AMS übergeben, schließlich müssten die Behörden trotzdem für einen Teil der Sozialhilfe-Empfänger zuständig bleiben. Denn: “Was geschieht mit den Menschen, die nicht als arbeitsfähig eingestuft sind? Auch sie brauchen eine Beschäftigung und einen Lebensunterhalt. Darum müssten wir uns dann weiterhin kümmern”, erläutert Rüscher.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Eines bleibt aber wie es ist: die Finanzierung. Im Regierungsprogramm ist zu lesen: “Die finanzielle Zuständigkeit für die Sozialhilfe verbleibt bei den Ländern (keine beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherungs-Leistung) – Abrechnung im Hintergrund.” Rüscher befürchtet: “Wenn das AMS die Gestaltung übernimmt aber auf das Geld der Länder zugreift, ist der Druck vielleicht nicht so groß, die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu übermitteln.” Soll heißen: Wer mit fremdem Geld arbeitet, ist theoretisch weniger unter Druck, effizient vorzugehen. Rüscher ist deshalb überzeugt: “Die Schnittstelle zwischen AMS und Ländern müssen wir uns also genau ansehen.”
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Die geplante Reform würde das System völlig auf den Kopf stellen. Bisher betrachtete man in der Sozialhilfe die Haushalte. Das heißt: Wie hoch sind die Kindersätze, was gibt es an Wohnkostenzuschuss, wie viel erhält der Haushalt insgesamt? Das neue System dürfte die Haushalte wieder aufsplitten – Kinder sind nicht arbeitsfähig, manchmal aufgrund der Betreuungspflichten auch die Mütter nicht, die Väter meistens schon. Letztere würden in die Zuständigkeit des AMS fallen, die anderen würden weiterhin bei den Ländern bleiben. “Viele offene Fragen also”, fasst Rüscher zusammen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Nicht nur das AMS ist Thema, heißt es aus dem Sozialministerium. “Auch die Kindergrundsicherung, die ein wesentlicher Schritt zur Armutsbekämpfung ist, muss mitgedacht werden.” Mehr könne man aber nicht sagen. “Die Details zur Reform müssen erst verhandelt werden, es sind hier viele Player beteiligt, vor allem auch die Länder. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Details zur Sozialhilfe liefern kann.” Rüscher fasst zusammen: “Es braucht also noch Zeit.”
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Sozialhilfe in Vorarlberg
2113 Haushalte mit 5372 Personen haben im Februar eine Leistung aus der Sozialhilfe erhalten. Insgesamt wurden dafür 2,23 Millionen Euro aufgewendet.
40 Prozent sind österreichische Staatsbürger. Der Anteil der Flüchtlinge (Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte) liegt bei 44 %. 16 % sind EU-Bürger und Drittstaatsangehörige.
35 Prozent der Bezieher sind Kinder und Jugendliche.
934 Haushalte sind Alleinstehende; 67 Haushalte sind Paare; 272 Haushalte sind Alleinerziehende mit Kindern; 385 Haushalte sind Paare mit Kindern; 455 Haushalte sind „Andere“ (bspw. WGs, in stationären Einrichtungen, betreutes Wohnen, etc.).