Vorarlberg verbietet Klärschlammkompost zur Eindämmung von Ewigkeitschemikalien

Politik / 07.05.2025 • 14:03 Uhr
ABD0014_20250330 – VOR †BERLINGEN AUF DEM BODENSEE – DEUTSCHLAND: ARCHIV – 02.10.2023, Baden-WŸrttemberg, Vor †berlingen auf dem Bodensee: Ein Felchen hŠngt im Netz, das ein Fischer eingeholt hat (zu dpa: ÇBerufsfischerei am Bodensee – bald nur noch im Museum?È) Foto: Felix KŠstle/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. – FOTO: APA/dpa/Felix KŠstle
Die Ewigkeitschemikalie PFAS gewinnt an Brisanz. Auch im Bodensee wird sie regelmäßig gefunden. Der gesundheitliche Vorteil beim Verzehr von Bodenseefischen überwiegt jedoch weiterhin. APA

PFAS-Chemikalien belasten die Bodensee-Region. Intensive Tests sind jedoch teuer. Das Land setzt auf Informationsaustausch.

Schwarzach “Was lange währt, wird endlich gut”, besagt ein Sprichwort. Das gilt nicht für PFAS. Diese per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, so die volle Bezeichnung, werden nicht umsonst Ewigkeitschemikalien genannt. Einmal in die Umwelt ausgebracht, können sie nur noch schwer abgebaut und entfernt werden. PFAS sind mittlerweile überall: Im Bodensee, im Quellwasser, in den Böden, im Fleisch und als letzte Konsequenz auch im menschlichen Körper. Wie reagiert das Land auf die PFAS-Situation in der Bodensee-Region? Reinhold Einwallner (SPÖ) wollte das im Rahmen einer Anfrage von Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) wissen.

Klärschlamm verboten

Die positive Nachricht vorweg: Politisch gab es Bewegung. Klärschlammkompost wird in Vorarlberg als Dünger endgültig verboten. Die Landesregierung beschloss vergangene Woche eine Gesetzesänderung, die demnächst im Landtag landet. Bislang war die Düngung noch in der Landwirtschaft, im Landschaftsbau und in Privathaushalten gestattet. 2023 wurden etwa 0,2 Prozent des in Vorarlberg jährlich anfallenden Klärschlamms in Form von Klärschlammkompost auf Vorarlbergs Böden ausgebracht. Tests der vergangenen Jahre hätten ergeben, dass insbesondere Belastungen durch PFAS, aber auch Schwermetalle, Mikroplastik und pathogene Keime enthalten waren, heißt es als Begründung für das Verbot in der Gesetzeserläuterung. Die Stoffgruppe der PFAS hat sich als besonders umweltrelevant erwiesen, da sie in Futter- und Nahrungsmittel, sowie in das Trinkwasser gelangen können. Laut Definition des Vorarlberger Umweltinstituts fallen derzeit 4800 chemische Verbindungen unter die PFAS.

Wissen: PFAS

PFAS-Verbindungen werden seit den 50er-Jahren hergestellt. Sie sind fett-, wasser- und schmutzabweisend und auch bei sehr hohen Temperaturen bzw. bei Kontakt mit Säuren und Basen sehr stabil. Daher werden sie auch in Alltagsprodukten eingesetzt. Sie sind langlebig, werden nicht oder nur langsam abgebaut und können daher über lange Zeiträume in der Umwelt nachgewiesen werden. Einige PFAS können sich im menschlichen und tierischen Gewebe anreichern und sind auch als leber-, reproduktionstoxisch und möglicherweise kanzerogen eingestuft.

Vorarlberg stärker betroffen

Vorarlberg ist ein Hotspot. 2021 stellten das Vorarlberger Umweltamt und das Bundesumweltamt fest, dass vor allem im intensiv landwirtschaftlich genutzten Rheintal die regionale Belastung hoch ist. Vorarlberg zählt gemäß dieser Untersuchung zu den am stärksten belasteten Gebieten in ganz Österreich. Auch die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee informierte vor zwei Jahren darüber, dass die Konzentrationen im Bodensee in einem für die menschliche Gesundheit und fischfressende Vögel sowie Säuger relevanten Bereich liegen würde, fasst Einwallner zusammen.

Das bestätigte auch die nationale Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Allerdings ist es wichtig, nicht in puren Alarmismus zu verfallen. Denn bei der AGES wird betont, dass der gesundheitliche Nutzen bei gelegentlichem Verzehr der Fische höher sei als das Gesundheitsrisiko. Die Grenzwerte, die von der EU-Kommission festgelegt werden, wurden nicht überschritten.

Teure Analyse

Im Land ist man sich dieses Problems bewusst, bestätigt Rüscher in der Anfragebeantwortung. Der Fokus liege darauf, die Eintragspfade zu erkennen und Kontaminationen zu vermeiden. Dabei gebe es vor allem ein Hindernis: die Kosten. Rüscher erläutert: “Die Analysekosten für die PFAS-Untersuchung sind relativ hoch.” Im Regierungsprogramm werde jedoch festgehalten, betont die Landesrätin, dass kontinuierliche PFAS-Messungen zu dem Aufgabenumfang des Umweltinstituts gehören.

Im Bodenseeraum gebe es zudem Informationsaustausch, etwa mit der Internationalen Gewässerschutzkommission Bodensee (IGKB) und der Kommission Umwelt der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK), aber auch “inoffizielle Kontakte”. Das nationale Netzwerk wird ebenfalls gepflegt: Beim ersten PFAS-Tag, einen Fachtagung in Wien, wird auch der Leiter des Umweltinstituts Vorarlberg, Christoph Scheffknecht, vortragen.

Er warnt ebenfalls vor Alarmismus. Aber PFAS müsse man ernst nehmen, keine Frage. Das Umweltinstitut legt bei den PFAS-Prüfungen immer wieder Schwerpunkte. Heuer widmen sich die Experten den Lebensmitteln, vor allem Milch und Rindfleisch. Ohne PFAS würde es auch in Zukunft nicht gehen, betont Scheffknecht, etwa den für digitale Technologien so wichtigen Halbleitern. Allerdings könne man sich in solchen Branchen ansehen, wie der Ausstoß minimiert werden kann, etwa im Umgang mit dem Abwasser. Derzeit wird auf EU-Ebene über neue Grenzwerte und Verbote diskutiert.

Erläuternder Gesetzestext zum PFAS-Verbot
PFAS-Fachtagung in Wien am 24.6.2025