Kommentar: Polit-Inszenierung
Ein Gemeinde-Politiker mit Foto auf den Titelseiten beider Tageszeitungen und als Aufmacher samt Story von 2.30 in „Vorarlberg heute“. Dazu jeweils die Top-Story in den lokalen Online-Medien: Das ist so selten wie eine Sonnenfinsternis. Geschafft hat das Kunststück der neue Dornbirner Bürgermeister Markus Fäßler (SPÖ). Vor Wochen noch ein völliger Nobody, dann mit österreichweiten Schlagzeilen, weil er in der größten Stadt des Landes überraschend und mit tatkräftiger Unterstützung der Langzeit-Bürgermeisterpartei ÖVP gewonnen hat. Er hat auf den Bänken beim Bahnhof mit einem Akkuschrauber jene Querstangen eigenhändig abmontiert, mit denen Obdachlose gehindert werden sollten, sich dort hinzulegen. Normalerweise ruft ein Bürgermeister für kleine Handgriffe den städtischen Bauhof an. Wenn seine Presse-Abteilung für ihn PR machen will, gibt sie eine Aussendung heraus. Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“. Aber der Dreh mit dem Akkuschrauber ist neu. Zumal der Bürgermeister vermutlich mehrmals dieselbe Bank bearbeiten musste, für Print und Fernsehen getrennt.
Was lernen wir aus einer so geballten Medienpräsenz? Dass die Inszenierung einer Show nun auch in der Lokalpolitik angekommen ist. Natürlich ist das ein Klacks gegen Donald Trump. Wenn sich dieser knapp nach dem Tod von Papst Franziskus als KI-generierter Papst zeigt oder mit der Bibel in der Hand vor einer Kirche posiert, nachdem er dort Demonstranten mit Gewalt entfernen ließ. Auch in Österreich spielen Inszenierung und Symbolik häufig eine Rolle. Die Ära Kurz war voll davon, mit Hauptaugenmerk auf Imagepflege und Social Media. An Inhalten haperte es, am „Koste was, es wolle“ knabbern wir heute noch. Nachfolger Karl Nehammer reiste als einer der ersten westlichen Regierungschefs nach Kiew und Moskau, um internationale Führungsrolle zu demonstrieren – wenig Wirkung, aber starke Medienpräsenz. Oder Herbert Kickl, Kurzzeit- Innenminister (FPÖ), hoch zu Ross, um sein Prestigeprojekt einer berittenen Polizei öffentlichkeitswirksam zu präsentieren (kam nie zustande). SPÖ-Kanzler Faymann oder die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP) wollten mit einem kurzen Grenzzaun einen Wechsel in der Migrationspolitik demonstrieren. Der Zaun hatte keine echte Wirkung. Hubert Gorbach (FPÖ) hatte als Landesstatthalter stets Gummistiefel im Auto, um bei Hochwasser für die Fotos richtig ausgestattet zu sein, wie später auch der deutsche Kanzler Schröder (SPD). Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) verteilte 100-Euro-Scheine als Teuerungsausgleich vor laufenden Kameras. Selbst Angela Merkel liebte Selfies mit Flüchtlingen, um die Offenheit für Migranten zu zeigen. Vermutlich überlegen jetzt die kommunalen Pressereferenten, wie sie den Dornbirner Geniestreich noch toppen könnten. Fotos bei einem „ersten Spatenstich“ werden nicht mehr genügen, bei denen Kommunalpolitiker und Ressortleiter oder die Direktoren eines neu zu bauenden Kindergartens oder einer Schule einen Spaten in der Hand und einen Helm auf dem Kopf haben. Wobei man merkt, dass so mancher (m/w) zum ersten Mal einen Spaten in der Hand hat. Grünen-Politiker auf dem Fahrrad sind auch retro. Macht nix, wenn der hinausposaunte Fahrradweg dann doch nicht kommt. Ist aber schon ausgereizt. Doch der Bregenzer Bürgermeister in der Badehose, aber ausnahmsweise ohne weiße Sneakers, vom Dreimeter-Brett im neuen Hallenbad? Der Bludenzer Bürgermeister verteilt Gratis-Einkaufsgutscheine für die Innenstadt, um ihr wieder Leben einzuhauchen? Ehrlich: Ein Problem ist das nur dann, wenn die Show echte Problemlösungen ersetzt.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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