Was sagen Sie einer 17-jährigen Klimaaktivistin, die sich aus Angst vor der Klimakatastrophe und ihrer Zukunft auf die Straße klebt, Frau Staatssekretärin?

Tourismus- und Energiestaatssekretärin Elisabeth Zehetner fordert mehr Vernunft in der Klimadebatte.
Wien Der Energiebereich in der Bundesregierung ist auf mehrere Köpfe aufgeteilt. Manches verantwortet Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, anderes Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Und für einen Teil ist eine dritte ÖVP-Politikerin zuständig: Elisabeth Zehetner, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und zuständig für Tourismus, Start-ups und Energie. Im VN-Interview spricht sie über das Sparpaket, Bürokratieabbau im Tourismus und über den PV-Ausbau, der ihrer Ansicht nach zu schnell vorangegangen ist.
Was bedeutet das Sparpaket für den Tourismus?
Zehetner Die gute Nachricht ist: Der Tourismus bleibt die Konjunktur-Lokomotive, wir haben im letzten Jahr ein Nächtigungsplus verzeichnen können und die Wintersaison ist auch sehr gut gelaufen. Der Ausblick auf den Sommer ist ebenfalls positiv. Darum wollen wir bei Themen wie der Österreichwerbung nicht einsparen. Der Großteil der Einsparungen wird sich bei Veranstaltungen, Projektförderungen, Sponsoring und Studien abspielen. Bei der Tourismusbank ÖHT konnten wir die Mittel halten.
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Müssen Sie Förderungen kürzen?
Zehetner Kürzen nicht, aber wir erhalten nicht mehr.
Wenn man sich bei Branchenvertretern umhört, sind weniger die Förderungen ein Thema, sondern viel mehr die Bürokratie. Wie wollen Sie die bekämpfen?
Zehetner Unser Ministerium hat eine Soko Bürokratieabbau eingerichtet, mit der wir gezielt schauen, was wir vereinfachen können. Ein erster Schritt ist die Abschaffung der Belegerteilungspflicht bis 35 Euro. Diese Belege nerven die Leute und sind einfach sinnlos. Und sie kosten Geld. Es geht auch immer um Vereinfachungen, zum Beispiel bei der Frage, unter welchen Bedingungen ein Betrieb unkompliziert übergeben werden kann.
In Vorarlberg hören wir von solchen Problemen bei Betriebsübergaben: 50 Jahre lang waren die Küchen in Ordnung. Jetzt übernimmt die Nachfolgegeneration und plötzlich sollen die Küchen nicht mehr in Ordnung sein?
Zehetner Natürlich muss irgendwann einmal etwas modernisiert werden. Aber es muss nicht sofort dann sein, wenn die junge Generation einsteigt, zu einem Zeitpunkt, an dem sie genug andere Herausforderungen zu bewältigen hat. Da muss es eine Frist geben, damit länger Zeit bleibt, die Erfordernisse zu erfüllen.
Ein anderes Thema, das viele Touristiker beschäftigt, ist die Tatsache, dass die ÖGK auf Trinkgeld Sozialversicherungsbeiträge verlangt.
Zehetner Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht mehrmals auf dieses Thema angesprochen werde. Im Regierungsprogramm steht, dass wir dieses Problem lösen müssen. An der gesetzlichen Lage hat sich ja eigentlich nichts geändert, sondern lediglich an der Prüfpraxis. Wir müssen das ins Lot bringen, damit alle Rechtssicherheit haben. Es kann ja nicht sein, dass Betriebe für Geld haften, das sie eigentlich nie bekommen haben, sondern direkt die Mitarbeiter.
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Derzeit planen die Illwerke-VKW ein neues Lünerseewerk. Die Landespolitik bemängelt die langen Verfahren. Wo kann man ansetzen, damit sie nicht gleich lang dauern wie der Bau?
Zehetner Wir bringen im Energiebereich mehrere Gesetze auf den Weg. Eines ist das Erneuerbare-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, bei dem es darum geht, Vorrangzonen für die Energiewende zu schaffen. Unter anderem geht es um die Frage, wie wir es schaffen können, dass nicht x-mal Einsprüche erhoben werden, sondern das Verfahren gestrafft wird.
Wie schwierig ist es, Verfahren zu beschleunigen, ohne den Rechtsstaat auszuhöhlen?
Zehetner Nur weil ich die Abläufe der Einsprüche bearbeite, höhle ich nicht den Rechtsstaat aus. Es muss natürlich weiterhin möglich sein. Aber wenn man sie gemeinsam bearbeitet, spart man schon enorm viel Zeit.
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Sie schaffen mehrere Förderungen im Klimabereich ab, etwa für PV-Anlagen. Warum fördern sie nicht weiter? Der Klimawandel ist nicht vorbei.
Zehetner Grundsätzlich ist es die ureigenste Verantwortung der Politik, darauf zu achten, was mit Fördergeldern passiert und wie sie wirken. Wir müssen uns etwa ansehen, wie sich die PV-Förderung auf das ganze System auswirkt. Durch die – zum Glück – mittlerweile hohe Integration von Sonne und Wind, also von volatiler Energie, haben wir oft Strom, den wir nicht brauchen, was zu möglichen Überlastungen der Netze und negativen Strompreisen führt. Da müssen wir uns fragen: Wie passen neue Anlagen in das Gesamtsystem?
Hat man einfach zu enthusiastisch auf jedes Dach eine PV-Anlage gesetzt, ohne die Wirkung auf das Gesamtsystem zu beachten?
Zehetner Ja, hat man. Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz sehen wir uns an, wie wir eine Spitzenkappung einführen können. Damit man, wenn die Sonne scheint, nicht mehr den ganzen Strom einspeisen kann. Sonst müsste ich ja das Netz so ausbauen, damit es die Spitzen zur Mittagszeit beherrschen kann. Auch wenn diese Spitzen vielleicht eine Viertelstunde dauern. Damit das System insgesamt günstiger wird, muss ich diese Spitzen abschneiden. Deshalb wäre es gut, wenn der Strom gespeichert wird.
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Sie haben ein Buch geschrieben, ein zweites kommt demnächst raus. In ihrem Buch schreiben Sie, dass es oft an Vernunft in der Klimadebatte fehle. Wo fehlt sie?
Zehetner Wenn ich zum Beispiel in eine Faltradförderung investiere, dann wird das für den Gesamteffekt wenig bringen. Vernünftig sein heißt, dass man die Systeme miteinander denkt, das Gesamte im Auge hat. Sonne und Wind sind wichtig im Technologiemix, aber es kommt auf den richtigen Mix drauf an. Wenn ich von dem einen zu viel und vom anderen zu wenig habe, kippt das System. Und darauf zu achten, ist Vernunft.
Haben Sie diese Vernunft früher vermisst?
Zehetner Ja.
Was sagen Sie einer 17-jährigen Klimaaktivistin, die sich aus Angst vor der Klimakatastrophe und ihrer Zukunft auf die Straße klebt?
Zehetner Ihr sage ich: Das beste Mittel gegen Angst ist Selbstwirksamkeit. Am besten selbst einen Job suchen, mit dem man einen Beitrag leisten kann. Für die Energiewende brauchen wir um die 100.000 Fachkräfte.