Andreas Babler: “Wir müssen die Zeche zahlen”

Politik / 23.05.2025 • 16:34 Uhr
Andrea Babler
Vizekanzler Andreas Babler berichtete im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten über Reformen und Pläne. BMWKMS/Schlögl

Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) über die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Vorarlberger SPÖ und die offene Rechnung, die die neue Regierung nun begleichen müsste.

Wien Die schwarz-rot-pinke Regierung ist seit etwas mehr als 80 Tagen im Amt. Es ist kein einfacher Start, in fast allen Ressorts muss gespart werden. Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) widerspricht aber Kritikern, dass geringere Einkommen die Einschnitte verhältnismäßig stärker spüren werden.

Eine Untersuchung des Budgetdienstes zeigt aktuell, dass Menschen mit wenig Geld die Einschnitte verhältnismäßig stärker spüren. Wie lässt sich das mit der DNA von der SPÖ vereinbaren?

Babler Der Budgetdienst kann viele Maßnahmen noch nicht darstellen. Die SPÖ hat dafür gesorgt, dass die breiteren Schulten mehr zahlen: Die Banken leisten Milliardenbeträge, dazu die Energiekonzerne, Shared Deals, Immo-Besteuerung; alle leisten Beiträge.

Was entgegennehmen Sie der Kritik, dass bei Familien und Geringverdienern gespart wird?

Babler Dort, wo die Armutsgefährdung hoch ist, nämlich bei Langzeitarbeitslosen und Frauen, haben wir Offensivmaßnahmen im Regierungsprogramm. Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr kommt. Wir haben uns auch die Kindergrundsicherung vorgenommen. Aber wir haben ein schwieriges Budget übernommen. Es ist, als wären unsere Vorgänger im Wirtshaus gewesen und wären gegangen, ohne zu zahlen – über Jahre. Wir kommen jetzt zum Handkuss und müssen die Zeche zahlen.

Der Abschluss der Beamtengehälter sorgt für anhaltende Diskussionen. Können Sie schon sagen, ob das Paket nochmal aufgeschnürt wird?

Babler Man ist gut beraten, wenn man die Sozialpartner über Lohnabschlüsse verhandeln lässt, so wie man das in allen Branchen macht. Die Sozialpartner haben über die Jahrzehnte gezeigt, dass sie sehr verantwortungsvoll vorgehen. Österreich ist das Schlusslicht in der Inflationsentwicklung, die Preise sind durch galoppiert. Da muss man schauen, dass man sich seine Wohnungen, Energie, Grundbedürfnisse leisten kann. Das ist die Grundlage von Sozialpartnerverhandlungen. Es ist Sache der Sozialpartner, darüber zu verhandeln.

Die neue Regierung hat sofort erste Schritte zu einem Anheben des Pensionsalters gesetzt. Wäre es aber nicht ehrlicher auch zu thematisieren, dass wir noch größere Schritte brauchen werden?

Babler Das SPÖ-Anliegen ist, dass das faktische Pensionsalter steigt und dass die Leute gesund länger arbeiten können. Viele Leute kommen nicht einmal ins Regelpensionsalter, weil sie erkrankt sind oder nicht angestellt werden, wenn sie über 60 sind. Das war die nüchterne Bilanz des Regierungsübereinkommens. Die Sozialdemokratie hat großes Interesse, dass die Menschen wieder optimal gesund ins Regelpensionsalter kommen.

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Der Vizekanzler verteidigt die Erhhung der Pendlerpauschale. Schlögl

Es hagelt Kritik, dass besonders bei Klimaschutz gespart würde. So wird die Pendlerpauschale erhöht, aber die Förderung für E-Autos fällt weg. Warum?

Babler Pendlerinnen und Pendler haben auch unter der Teuerung gelitten. Und zwar jene, die das Auto brauchen, weil die öffentliche Infrastruktur noch nicht auf dem Stand ist, auf dem wir sie gerne hätten. Sie sind doppelt bestraft worden: über hohe Energie- und Treibstoffpreise.

Auch die Kultur muss sparen. Wann darf die Kultur wieder auf mehr Spielraum hoffen?

Babler Es gibt ja ein Aufatmen in der Kulturszene, weil jetzt spürbar ist, dass mit mir jemand hier sitzt, der alles dafür tut, diese Vielfältigkeit und Breite aufrechtzuerhalten. Die Kritik an meinem Vorgänger, etwa aus der Filmbranche, muss ich in Ordnung bringen. Ich habe den Grundsatz, dass breitere Schultern mehr tragen müssen. Mit den Bundesmuseen konnte ich einen großen solidarischen Beitrag im zweistelligen Millionenbereich vereinbaren, um das restliche Kulturbudget zu entlasten.

Österreich steht nächstes Jahr nach dem ESC-Sieg ein großes Ereignis bevor. Kann sich der ORF die Austragung leisten?

Babler Ich hatte schon Gespräche, zuletzt mit dem Generaldirektor. Der ORF hat mir versichert, dass es finanzierbar ist. Es geht jetzt um die Ausschreibung, welche Location es sein wird.

Ein Bereich, der viele Menschen hart trifft, sind die Mieterhöhungen. Bei Kategoriemieten, Richtwertmieten und im gemeinnützigen Wohnbau werden sie nun gebremst. Wann nimmt sich die Bundesregierung die freien Mieten vor?

Babler Diese Bundesregierung greift erstmals in die freien Mieten ein. Die Mieten sind in drei Jahren um 25 Prozent gestiegen. Das kann sich fast keiner mehr leisten. Dort, wo der Mietpreisstopp schnell umzusetzen war, haben wir diese Maßnahme gesetzt. Und wir schaffen auch eine Mietpreisbremse im ungeregelten Bereich. Wir sind jetzt schon in der legistischen Vorbereitung und werden erstmalig in der Geschichte in den unregulierten Bereich eingreifen. Das betrifft ja nicht nur Menschen, die in Miete wohnen, sondern auch Geschäftsleute.

Kommt das in diesem Jahr?

Babler Ich hoffe, ja. Es ist ein schwieriger Bereich, das Justizministerium arbeitet daran so schnell wie es geht.

Die neue Regierung verzichtete auf einen Sideletter, es wird transparent dargelegt, welche Partei das Vorschlagrecht auf welche Posten hat. Gerade kommen wieder aus der Justiz Rufe nach einem gewählten Gremium direkt aus der Justiz. Was halten Sie davon?

Babler Ganz nüchtern betrachtet: Bei den Besetzungen der letzten Jahrzehnte wird man nicht den Verdacht haben, dass jemand in den obersten Gerichtshöfen sein Amt parteipolitisch ausübt. Das sind Richter, keine Parteisoldaten. Sie haben etwa bei der ORF-Reform gesehen, dass ich auf Entpolitisierung setze. Ich habe die politische Entsendung der Bundesregierung in den Stiftungsrat um ein Drittel gekappt, von neun auf sechs. Ich habe den Publikumsrat gestärkt.

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Babler betont, dass die Bundesregierung erstmals in die freien Mieten eingreift. BMWKMS/Schlögl

Die SPÖ hat bei den Vorarlberger Gemeindewahlen in Bregenz, Hard und Dornbirn Erfolge erzielt. In Dornbirn stellen Sie erstmals den Bürgermeister. Was nehmen Sie daraus mit?

Babler Man spürt den Aufbruch. Ich habe mit Markus Fäßler letztes Jahr Wahlkämpfe gemacht. Er brennt für diese Stadt und das spürt man. Ich glaube, es braucht den sozialdemokratischen Gestaltungswillen. Die zwei größten Städte Vorarlbergs sind jetzt von SPÖ-Bürgermeistern geführt. Mit Michael Ritsch bin ich seit Jahrzehnten befreundet. Wer hätte vor zehn Jahren mit diesem sensationellen Wahlergebnis gerechnet? In anderen Bereichen müssen wir noch arbeiten.

Werden Sie heuer die Festspiele besuchen?

Babler Ja, wieder einmal. Ich war schon oft bei den Festspielen, bei den Eröffnungen auch ein paar Mal. Natürlich auch privat. Heuer komme ich in meiner neuen Rolle. Ich freue mich sehr, dass ich nach Bregenz immer ein Stück nach Hause komme.