Keine Spekulation
Sebastian Kurz und Karl-Heinz Grasser eint ihr junges Alter, in dem sie in Spitzenpositionen vorrückten. Kurz wurde mit 31 Jahren einst jüngster Regierungschef weltweit, nachdem die ÖVP mit Umfragewerten unter 20 Prozent in ihm ihre letzte Hoffnung sah. Grasser ereilte mit 31 Jahren überraschend der Ruf zum jüngsten Finanzminister der österreichischen Geschichte, nachdem Bundespräsident Thomas Klestil den eigentlich für dieses Amt vorgesehenen Thomas Prinzhorn (FPÖ) verhinderte. Verschwörungsgläubige könnten nun den irrigen Schluss ziehen, dass 31-Jährige in der Politik großes Unglück über sich und ihre Partei bringen.
Doch das Alter ist wohl eher eine zufällige Gemeinsamkeit zwischen Kurz und Grasser und unterstützt keine abenteuerlichen Erklärungen über das Wirken von finsteren Mächten. Zu unterschiedlich ist auch der Ausgang ihrer Begegnungen mit der Justiz. Kurz ist seit seiner raschen Verhandlung am Montag vor dem Oberlandesgericht wieder ein unbescholtener Mann. Zumindest bis die WKStA entscheidet, ihn in der sogenannten ÖVP-Inseratenaffäre rund um das „Österreich-Beinschab-Tool“ anzuklagen. Inzwischen ist der ehemalige Bundeskanzler über seinen Freispruch erleichtert. Trotzdem konnte er es nicht unterlassen, sich mit dem Hinweis auf „systemische Probleme“ als Opfer zu sehen. Das „Vorgeführtwerden“ bei seinen Verhandlungen hat jenen Ex-Politiker gestört, der als Politiker noch die Republik mit seiner Message-Control überzog.
Verschwörungsgläubige könnten den Schluss ziehen, dass 31-Jährige in der Politik großes Unglück bringen.
Wirklich lange vorgeführt und hingehalten wurde Karl-Heinz Grasser, allerdings nicht ohne sein Zutun. Seine uneinsichtige Verteidigung mit Leugnen und Verzögern hat ihm nichts genutzt. In den nächsten Tagen wird der Ex-Minister im Innsbrucker Ziegelstadel seine Haftstrafe antreten müssen. Sein einziger Hoffnungsschimmer ist nun der Sparzwang des Justizministeriums. Ab September winkt dem prominentesten Häftling eine Fußfessel. Selbst die rote Ministerin Anna Sporrer gönnt es ihm. Und nein: Weder ÖVP noch der Senat des OGHs konnten vorab erahnen, dass die Haftdauer so kurz ausfällt. Nur um nochmals Verschwörungstheorien das Wasser zu entziehen.
Daran, dass Grasser einmal als ÖVP-Chef gehandelt wurde (und Andreas Khol dies zu verhindern wusste), erinnert sich heute niemand mehr. Er ist ein tief gefallener Polit-Star, dem Weggefährten weder in seiner ursprünglichen politischen Heimat, der FPÖ, noch in der danach ihn freudig aufnehmenden ÖVP eine Träne nachweinen. Kurz hingegen hat durchaus noch Fans, die mit ihm an frühere Wahlerfolge anknüpfen möchten. Er selbst sei Unternehmer und wolle das auch bleiben, betonte er in seinem Statement gestern. Dennoch enden die Spekulationen über ein Polit-Comeback nicht.
Gerüchte sind in einer Demokratie nie gut. Weder über politische Justiz (wozu weder der Freispruch von Kurz noch die letztinstanzliche Verurteilung Grassers Anlass geben) noch zu Was-Wäre-Wenn Kandidaten. Wir sollten einen nüchternen Blick auf jene werfen, die sich derzeit um eine Sanierung des Budgets und um unsere innere, äußere und soziale Sicherheit bemühen, und sie an ihren Leistungen messen.
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