Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Kommentar: Ablenkung

Politik / 31.05.2025 • 07:20 Uhr

Seit 1970 hat es in Vorarlberg eine Eheschließung gegeben, bei der ein Partner noch keine 15, rechtlich also ein Kind, gewesen ist. 1985 war das, wie ein Blick in eine „Statistik Austria“-Datenbank zeigt. Österreichweit handelte es sich in all den Jahren um insgesamt 17, auch hier fand die letzte 1985 statt.

Das sei erwähnt, weil Integrations- und Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) diese Woche betont hat, dass das geplante Verbot von Eheschließungen unter 18-Jähriger ein „ganz entscheidender Schritt“ sei, um Kinderehen zu verhindern. Woraufhin eine Wiener Boulevardzeitung beipflichtete: „Kinder sollen in der Schule lernen, nicht verheiratet werden.“

Stimmt schon. Bloß: Das alles gehört zum Versuch, abzulenken. Wie auch die Präsentation des gefühlt hundertsten „Integrationspakets“ einer Regierung am vergangenen Mittwoch, das bezeichnenderweise eher nur aus Überschriften bestand, aber mit der Botschaft versehen war, dass sich Fremde anzupassen hätten.

Derlei ist immer wieder ein Eingeständnis: Seit Jahren ist die ÖVP auf Bundesebene für Integration zuständig. Dass sie nach wie vor Sachen ankündigt, die aus ihrer Sicht selbstverständlich sein sollten, heißt, dass sie allerhand verabsäumt hat. Peinlich ist ihr das jedoch nicht. Wichtig ist ihr, Probleme zu bearbeiten. Inhalte sind nebensächlich.

Alle sind gegen Kinderehen, die weit gefasst Minderjährige und in einem engeren Sinne unter 15-Jährige betreffen. Kinder eben. Einem solchen Verbot kann man daher nur zustimmen. Aber: Für unter 18-Jährige ist eine Eheschließung schon heute nur möglich, wenn sie mindestens 16 sind und von einem Gericht für ehefähig erklärt werden. Im Ausland geschlossene Kinderehen werden hierzulande nicht anerkannt.

Trotzdem hat Claudia Plakolm für die ÖVP, aber auch die Koalitionspartner SPÖ und Neos, viel erreicht: Sie hat mit heißer Luft für Schlagzeilen gesorgt. Die Familienministerin hat als Integrationsministerin vergessen gemacht, dass gerade ein Sparpaket in Umsetzung ist, das ganz besonders kinderreiche Familien hart trifft. Real, also unter Berücksichtigung der Inflation, wird eine solche im kommenden Jahr locker 1000 Euro verlieren. Und zwar unabhängig davon, ob das Haushaltseinkommen erfreulich hoch oder furchtbar niedrig ist. Darüber gehört diskutiert. Und gerade als Familienministerin könnte Plakolm dabei erklären, warum das so sein soll. Und warum die Familienbeihilfe zwei Jahre lang nicht an die Teuerung angepasst werden soll, die Parteienförderung aber nur ein Jahr lang.

Ja, es wäre Stoff für eine Debatte, zu der auch die Regierungsparteien SPÖ und Neos etwas beizutragen haben sollten: Welches Ziel verfolgt man, wenn man Familien, die zur Zukunft beitragen, besonders zur Kasse bittet? Ist es Selbstaufgabe nach dem Motto: „Hinter uns die Sintflut“? Ist es eine unnötige Befeuerung von Generationenkonflikten? Es ist zu befürchten. Das Sparpaket widerspricht jedenfalls der Vernunft, die besagt, dass alle nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten zur Budgetsanierung beitragen sollten.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.