Massive Unsicherheit an Vorarlbergs Schulen: Drohen Kürzungen bei der schulischen Assistenz?

Politik / 05.06.2025 • 17:38 Uhr
Inklusion in der Schule, Fotos mit der Schülerin in ihrem natürlichen Umfeld, Mittelschule Au
Inklusion wird an vielen Schulen großgeschrieben, wie auch an der Mittelschule Au. VN/SteurerOhne schulische Assistenz wäre es nicht möglich.

An vielen Volksschulen herrscht Verunsicherung. Auch Eltern und Assistentinnen schlagen Alarm. Doch das Land beruhigt.

Bregenz Vanessa Perpmer ist fassungslos. Seit vier Jahren ist ihre mittlerweile elfjährige Tochter in der Schule am See. Ihre Tochter ist hochgradig sehbeeinträchtigt und hat Schwierigkeiten beim Gehen und mit den Händen. Damit Kinder wie sie die Schule besuchen können, benötigen sie schulische Assistenz. “Wir sind total abhängig davon.” Schon bei grundlegenden Dingen, wie einem Besuch auf dem WC, braucht sie Unterstützung. Jetzt befürchtet Vanessa Perpmer, dass die Unterstützungsstunden gekürzt werden. Nur: Was passiert dann mit ihrem Kind? Wie ihr geht es vielen Eltern, Lehrern, Direktoren und schulischen Assistentinnen im Land: Sie sind verunsichert. Werden die Stunden gekürzt? Die zuständige Landesrätin Barbara Schöbi-Fink beschwichtigt. Fix ist: An den Schulen herrscht große Unsicherheit.

Das System ist aufwendig. Im ganzen Land arbeiten pädagogische Beraterinnen und Berater im Auftrag der Bildungsdirektion mit den Schulen zusammen. Sie sehen sich jede Schülerin und jeden Schüler an, schon im Kindergarten wird darauf geachtet, ob jemand Unterstützung benötigt. Anschließend erheben sie gemeinsam mit der jeweiligen Schuldirektion den Bedarf, die Schulleitung beantragt die Unterstützung schließlich bei der Bildungsdirektion.

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Da geht es um blinde Kinder, die Hilfe brauchen. Um Kinder mit körperlicher Beeinträchtigung, um Kinder, die sich selbst und andere gefährden. Manche stehen im Unterricht einfach auf und rennen davon, manche brauchen 1:1-Betreuung in der Schule. Auch in der Volksschule Bütze in Wolfurt gibt es solche Kinder, erzählt Direktor Bernd Dragosits. Heuer erhält er 30 Stunden Unterstützung. In Gutachten sei festgestellt worden, dass zwei Kinder mittlerweile mehr Stunden benötigen, zudem kämen neue dazu. Deshalb hat er für kommendes Jahr 60 Stunden Unterstützung beantragt. “Dieses Ansuchen ist belegt durch Fachgutachten, durch Gespräche mit den Kindergartenpädagoginnen und durch die Beratungslehrerin der Bildungsdirektion”, erläutert Dragosits. Jetzt sei ihm mitgeteilt worden, dass er 18 Stunden erhält. “Das heißt, die Stunden werden um 40 Prozent reduziert und die zusätzlich benötigten gar nicht berücksichtigt”, rechnet er vor. Ähnliches hört man aus anderen Schulen. An der Volksschule Kirchdorf in Lustenau sei der Bedarf massiv gestiegen, erzählt Direktor Christoph Wund. Heuer erhält er 68 Stunden schulische Assistenz pro Woche. Kommendes Jahr würde er über 100 benötigen. Per Telefon habe ihm die Bildungsdirektion mitgeteilt, dass es 45 werden. Ob an Mittelschulen oder Volksschulen, Direktorinnen und Direktoren berichten den VN von drohenden Kürzungen.

Zuständige Landesrätin ist Barbara Schöbi-Fink. Sie widerspricht vehement: “Es werden keine Stunden gekürzt, es stehen genau gleich viele Stunden zur Verfügung wie letztes Jahr.” 5846 an der Zahl. “Die Zuteilung der Stunden ist jedes Jahr ein Aushandlungsprozess”, erläutert Schöbi-Fink. Und derzeit sei man mitten in diesem Prozess. Vergangenes Jahr seien die Ressourcen in diesem Bereich um 15 Prozent gestiegen. “Der Bedarf steigt enorm”, ergänzt sie. “Und natürlich ist der Topf nach oben hin nicht offen, so ehrlich muss man sein.” Fix sei aber noch nichts: “Der Prozess ist nicht abgeschlossen.”

Betroffene Eltern und schulische Assistentin Kürzungen Schule am See
Die Kinder von Vanessa Perpmer (links) und Ursula Stamm (rechts) benötigen schulische Assistenz. Assistentin Karin Danhofer-Marte (Mitte) fürchtet um alles, was die Assistentinnen in der Schule am See in den letzten drei Jahren aufgebaut haben.

Innerhalb der schulischen Assistenz herrscht dennoch ebenfalls Unsicherheit. Karin Danhofer-Marte ist seit drei Jahren Assistentin an der Schule am See in Hard. “Wir haben acht Kinder an der Volksschule, die Assistenz benötigen. Wenn wir nur noch 50 Stunden genehmigt bekommen, was passiert mit den anderen Stunden?” Danhofer-Marte fürchtet um die Kinder – und um ihren Job. “Wir Assistentinnen sind sauer und wissen nicht, ob wir morgen noch Arbeit haben.” Für die dortige Direktorin Karin Dorner steht fest: “An der Schule am See gibt es 650 Kinder. Jedes Kind hat ein Recht auf eine Bildung. Aber wenn man so drastisch kürzt, wissen wir nicht, wie wir das in den Klassen auffangen.” Schließlich seien alle Kinder in der Klasse davon betroffen, wenn weniger Personal da ist. “Und Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen überlegen sich, ob sie ihre Kinder noch in die Schule bringen.” Auch im Vorarlberger Monitoring-Ausschuss ist das Thema aufgeschlagen. Der Ausschuss ist bei Landesvolksanwalt Klaus Feurstein angesiedelt. Er bekräftigt: “Wir sehen uns das Thema an.”

Schöbi-Fink verspricht: “Ich bin mir sicher, wir finden eine gute Lösung.” Eine Hoffnung, die Direktorin Karin Dorner teilt: “Vielleicht findet man eine.” Es wäre so wichtig.