Vorarlberg Spitzenreiter bei Biodiversität in der Landwirtschaft

Am Adlerhof in Lech am Arlberg wird mit Fokus auf das Tierwohl Heumilch erzeugt. Die umweltschonende Bewirtschaftung der Alpe fördert Biodiversität. Den Bio-Vertrag hat Peter Jochum dennoch gekündigt.
Lech am Arlberg “Ich bin ausgestiegen”, erklärt Peter Jochum. Seit 1989 führt er den malerischen Adlerhof in Lech am Arlberg, diesen Sommer übernehmen Sohn Erich und Schwiegertochter Adriana. Den Bio-Vertrag hat er gekündigt, dabei hat er am Betrieb nichts geändert.
Vorarlberg widmet mehr 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Biodiversität. Das zeigen neue Zahlen der Landwirtschaftskammer. Damit liegt das Land an der Spitze, danach folgt das Burgenland auf Platz zwei mit deutlichem Abstand (17,2 Prozent). Insgesamt hat Vorarlberg knapp 3200 landwirtschaftliche Betriebe, von denen 94 Prozent am Agrarumweltprogramm ÖPUL teilnehmen. Einer von ihnen ist eben Jochum.
ÖPUL
Das Österreichische Agrarumweltprogramm (ÖPUL) fördert seit mittlerweile 30 Jahren den Schutz von Klima, Umwelt, Biodiversität und Boden sowie Wasser- und Luftqualität und Tierwohl. 80 Prozent der Betriebe nehmen österreichweit an ÖPUL-Maßnahmen teil und haben heuer mit 240.000 Hektar einen neuen Biodiversitätsflächen-Rekord aufgestellt. Für das ÖPUL und seine insgesamt 26 Maßnahmen sind von 2023 bis 2027 jährlich insgesamt 614 Mio. Euro an Ausgleichszahlungen vorgesehen. Dabei sind die vier Öko-Regelungen zu 100% EU-finanziert und die 22 Agrarumweltmaßnahmen zu 50% aus EU-Mitteln und 50% aus Bundes- und Ländermitteln. Österreich ist EU-weit Vorreiter in der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen.
Auf 1500 Meter produziert die Familie Jochum reine Heumilch auf Tierwohllevel. Das Braunvieh steht in der kalten Jahreszeit im Laufstall mit Auslauf. Im Sommer können sie die feinen Alpkräuter genießen und sich auf den etwa 25 Hektar frei bewegen. Die Alpe ist nur zehn Autominuten vom Heimbetrieb entfernt. Aktuell gibt es mit Kälbern knapp 40 Stück Vieh und rund 15 Milchkühle zum Melken. Dazu gesellt sich der Zuchtstier, auf künstliche Besamung wird verzichtet. Alle weiblichen Jungtiere werden am Hof aufgezogen, die Jungstiere ins nahe Flirsch in Tirol an einen Mäster verkauft.

Wachsende Bürokratie
Wie sein Vater ist Sohn Erich mit großer Begeisterung am Hof tätig. Einzig die ständig wachsende Bürokratie kann den Arbeitsalltag verleiden. Alles müsse dokumentiert werden. “Das ist schon ein großes Thema. Wir haben ja auch jedes Jahr regionale und überregionale Kontrollen. Ich hatte dreimal in einem Sommer die gleiche Kontrolle der Alpe. Was soll sich innerhalb von drei Wochen verändern? Und jeder Kontrolleur sieht etwas anderes, das ist nicht einfach”, berichtet Peter Jochum.
Das hatte Konsequenzen: Der Adlerhof erfüllt zwar eigentlich alle Voraussetzungen für das Bio-Zertifikat und Jochum war auch jahrelang Bio-Landwirt. “Ich bin ausgestiegen”, sagt er den VN. Damit ist der Landwirt nicht allein, es ist eine Entwicklung, die in ganz Österreich zu beobachten ist. Seit 2022 haben etwa 1000 Landwirte ihre Bio-Verträge gekündigt. Allein im Vorjahr waren es 351 Betriebe. “Die Kontrolle musste ich mit einem hohen Rechnungsbetrag bezahlen. Aber ich hatte eigentlich nichts davon”, erklärt Jochum. Bio lohne sich bei Fleisch und Milch eigentlich nur noch in der Direktvermarktung. Doch die Voraussetzungen dafür sind geografisch nicht für alle Landwirtinnen und Landwirte in Vorarlberg eine Option. “Auch der einheimische Metzger sagt mir: Niemand fragt, ob das Bio-Fleisch ist. Im Grunde will jeder ein günstiges Produkt, das qualitativ gut ist.”
Bio muss sich lohnen
Das ist ein Punkt, den Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger immer wieder anprangert: „Häufige Änderungen in den einzuhaltenden Auflagen und zunehmende Bürokratie verleiden es manchem.” Hinter Bio stehe eben ein besonderer Aufwand in der Produktion, aber auch für die Dokumentation und Einhaltung der Standards, auf der anderen Seite sind die erzeugten Mengen geringer. “Das erfordert einen höheren Erzeugerpreis”, sagt er. Er appelliert an Konsumenten, Gastronomie und Tourismus heimischem Bio den Vorzug geben.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Landwirtschaft im Einklang mit der Natur
Und wie ging es danach bei den Jochums weiter? An der Art und Weise der Bewirtschaftung hat sich am Adlerhof nach dem “Bio-Ausstieg” eigentlich nichts geändert, die ist weiterhin besonders umweltschonend und stellt das Wohl der “Mitarbeiterinnen”, also der Kühe, in den Vordergrund. Die Voraussetzungen für die Teilnahme am Umweltprogramm ÖPUL erfüllen die Jochums weiterhin. “Verfüttert wird nur Heu, keine Silage. Dazu müssen ungefähr 54 Hektar gemäht werden, um das Futter zusammenzubringen, da wir doch einen langen Winter haben”, sagt Jochum. Eine harte Arbeit, denn die Bergmähder reichen auf eine Höhe von bis zu 2200 Meter. Der Großteil der Fläche kann also nur einmal gemäht werden, Höhenlage und Klima lassen es nicht öfter zu. Jochum: “Das geht, Schritt für Schritt mit der Natur.”
