Reinhold Bilgeri

Kommentar

Reinhold Bilgeri

Kommentar: Wiedergeburt und Absturz

Politik / 18.06.2025 • 10:17 Uhr

Die Trump-Fans draußen in der Welt, Europa inbegriffen, sind in letzter Zeit merkwürdig leise geworden. Vielleicht ist es die bizarre Wiedergeburt eines altbekannten Drehbuchs, das uns in täglich neuen Varianten um die Ohren fliegt und uns, erste Reihe fußfrei, vor Augen führt, was sich im Zeitraffer abspielt: Eine Renaissance des Faschismus. Autokraten leben vom Konflikt, das ist inzwischen allen klar, also muss er geschürt werden, da geht es nicht um konstruktive Versuche einer Weltverbesserung, sondern um Zerstörung und Chaos, um am Ende als großer starker Mann (gendern ist hier Problem-immanent) oder gar als Messias, also mit Gottes Segen, eine neue Ordnung errichten zu können.

Als die rechtsradikalen Parteien in West und Ost, befeuert und unterstützt von Trump, Musk und Konsorten, schon die herrliche Morgenröte einer neuen weißen Vorherrschaft ausrufen wollten und deren irrlichternder Held mit Zöllen und Remigration das ganze Gefüge ins Wanken brachte, regte sich auch internationaler Widerstand – nämlich dort, wo er am effizientesten sein kann – bei Wählern. Die Konservativen in Kanada, im Wahlkampf sehr Trump-affin, erlitten eine empfindliche Schlappe. „Unter Trump leiden die Konservativen“ titelte die „Frankfurter Allgemeine“. Inzwischen ein globaler Effekt?

Ein ähnlicher Ruck ging auch durch die australische Wählerschaft. Der konservative Oppositionsführer Dutton, der Trump als „Denker und Macher“ gelobt hatte, musste einen Erdrutschsieg der Labor Party hinnehmen. Der „Sidney Morning Herald“ schrieb: „Trumps radikale und in vielerlei Hinsicht beängstigende Rückkehr ins Amt hat den Mitte-Links-Parteien neues Leben eingehaucht und sich für konservative Politiker zu einer Sprengladung entwickelt.“ Australien habe sich in einer Zeit globaler Unsicherheit „für Optimismus und Entschlossenheit entschieden“.

Trump ist ein Brandbeschleuniger, er hat es in den letzten Tagen in Los Angeles, und zwar buchstäblich, wieder bewiesen. Kongressabgeordnete werden in Handschellen abgeführt, unliebsame Richter werden festgenommen, demokratische US-Politikerinnen werden von einem aufgehetzten Evangelikalen eiskalt erschossen, Marines und Soldaten der Nationalgarde werden auf Zivilisten losgelassen – „Checks und Balances“ sind nur noch Worthülsen – wie gesagt, wir kennen das aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Am Ende kam das Ermächtigungsgesetz und mit ihm die Diktatur.

Unser Prof. Haller, ein ausgewiesener Narzissmus-Kenner, prophezeit: „Am Ende eines Narzissten steht immer ein Absturz. Dies als Warnung für Herrn Trump.“ Vielleicht sollten sich das auch alle anderen nationalistischen Populisten weltweit ins Stammbuch schreiben. Die Krisen der letzten 25 Jahre – Corona, Flüchtlingskrise, Finanzkrise und Nine Eleven – haben die Welt verunsichert, ja, aber starke Männer haben sie nie sicherer gemacht. Aufklärung, Vernunft, gegenseitiger Respekt und Empathie wären Alternativen. „No Kings!!“

Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.