Kommentar: Zwei Verweigerer
Das Zusammenleben mit Geflüchteten kann herausfordernd sein. Befragungen dazu ergeben jedoch immer wieder, dass es von sehr vielen Menschen, die es persönlich erfahren und nicht nur vom Hörensagen kennen, als gut oder sehr gut beschrieben wird. Es ist im Übrigen selbstverständlich, dass jemand, der nach Österreich kommt, Regeln einzuhalten hat und gefordert ist, Deutsch zu lernen und zu arbeiten. Keine Frage. Wobei: Muss man das in einer Art und Weise zum Ausdruck bringen, die dem Geist von Herbert Kickl (FPÖ) entspricht? Erstens: Nein. Und zweitens: Weil es gefährlich ist.
Vor wenigen Wochen ließ der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) verkünden, dass Asylwerber in seinem Land zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden. Um 1,60 Euro pro Stunde. Im Grunde genommen also übler als gar nichts, weil es für Geringschätzung, ja demonstrative Verachtung steht. Es ist, wie wenn man einem Kellner ein paar Cent Trinkgeld gibt. Gut möglich, dass er zurecht sagt: „Behalten Sie’s.“
Auf das Niveau von Kickl hat sich nach Doskozil zuletzt auch Schwarz-Blau unter Führung von Markus Wallner (ÖVP) hierzulande begeben: Die Koalition hat den „Vorarlberg Kodex“ verschärft. Und zwar dahingehend, dass Asylwebern, die sich weigern, ihn zu akzeptieren, also Deutsch- und Wertekurse zu besuchen sowie zu arbeiten, das Taschengeld auf 20 Euro halbiert wird. „Wer sich nicht an Spielregeln hält, wird sanktioniert“, so Wallner. Wirkt schlüssig, klingt konsequent.
Vor einem Jahr war der Kodex ohne Strafen eingeführt worden: Da hieß es, wenn es „in einer Vielzahl von Fällen“ zu einer Verweigerung kommt, werde man zu Sanktionen schreiten. Umso mehr muss die nunmehrige Einführung ebensolcher Sanktionen den Eindruck erwecken, dass es „in einer Vielzahl von Fällen“ zu einer Verweigerung gekommen ist. Dass also ein erheblicher Teil der Asylwerber nur herumlungert.
Das ist gefährlich, es ist Stimmungsmache: Es ist dazu angetan, bei Menschen, die schon länger oder schon immer in Vorarlberg leben, – ja sogar nachvollziehbarerweise – die Überzeugung zu stärken, dass man gar keine Flüchtlinge mehr reinlassen sollte. Es ist im Übrigen dazu angetan, das Zusammenleben mit denen zu belasten, die hier sind.
Das alles ist umso bemerkenswerter, weil bisher (nur) zwei Asylwerber den Vorarlberg-Kodex nicht unterschrieben haben. Dass von einer „Vielzahl von Fällen“ also keine Rede sein kann, sondern dass Asylwerber in der Regel nicht so sind wie durch die Sanktionsandrohung vermittelt wird.
Schlichter Populismus nimmt hier Schäden in Kauf. Mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber doch, sogar einen Verstoß gegen das Zwangsarbeitsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 4), wie der Verfassungsdienst im Kanzleramt warnt. Es handle sich um einen „Grenzfall“, meint der Vorarlberger Menschenrechtsexperte Andreas Müller dazu, „kein eindeutiger Fall“. Allein das ist aber schon bedenklich unter den gegebenen Umständen, unter denen so gar keine sachliche Notwendigkeit besteht, derartiges zur riskieren.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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