So viel Zeit hatten Polizisten für ihren Nebenjob als Prüfer

Fahrprüfer ist man in Vorarlberg nicht hauptberuflich. Es überrascht aber, wie viel Zeit manche dafür aufbringen konnten.
Darum geht’s:
- Fahrprüfer oft Nebenjob für Beamte in Vorarlberg.
- Hoher Zeitaufwand und mögliche Interessenkonflikte werden untersucht.
- Nebentätigkeit muss strenge rechtliche Vorgaben einhalten.
Bregenz, Wien Fahrprüfer zu sein, ist in Vorarlberg vor allem eine Nebentätigkeit, die sich oft aus den fachkundigen Organen der Verwaltung rekrutiert, von Gemeinde bis zur Bundesebene. Im Fokus steht ein mögliches Netzwerk einzelner Fahrprüfer, das sich mit bewusst hohen Durchfallquoten selbst üppige Zusatzeinkünfte einbringt. Es überrascht dabei auch, wie viel Zeit diese teilweise für diesen Zweitjob aufbringen können.
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Die den VN vorliegenden vertraulichen Listen zu den Vergütungen der Fahrprüfer werfen auch im Zusammenhang mit dem investierten Zeitaufwand Fragen auf. Nimmt man 55 Euro als Vergütung für eine halbstündige Prüfung als Basis, waren manche Prüfer in den vergangenen beiden Jahren gut ausgelastet: Nach den Berechnungen der VN dürfte ein leitender Gemeindebediensteter aus Vorarlberg 2023 an die 277 Stunden für Fahrprüfungen aufgebracht haben – 2024 sogar 424 Stunden, also über zehn Vollzeit-Arbeitswochen. Ein Polizist, der in einer der elf Sicherheitswachen der Vorarlberger Gemeinden dient, kommt sogar auf 428 beziehungsweise 465 Stunden nach dieser Berechnung. Ein weiterer Polizist derselben Gemeinde verrechnete demnach 266 und 282 Stunden in den beiden Jahren. Und zwei Postenkommandanten der Bundespolizei fanden ebenfalls zwischen 250 und 280 Stunden Zeit neben ihren Aufgaben, um Fahrprüfungen abzunehmen. Gemessen an ihrer 40-Stunden-Woche also jeweils mindestens sechs Arbeitswochen rein für den Zweitjob.
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Nebentätigkeiten
Fahrprüfer ist man nebenberuflich im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung, die Verkehrsrechtsabteilung des Landes agiert hier im Auftrag der Bundesregierung. Bei Bundespolizisten ist daher von einer Nebentätigkeit (§ 37 Beamten-Dienstrechtsgesetz) zu sprechen, da sie in beiden Berufen im Auftrag der Bundesverwaltung arbeiten. Für Mitarbeiter des Landes und der Gemeinden ist es eine Nebenbeschäftigung. Der Unterschied liegt im Detail: Dem Land und den Gemeinden muss eine Nebenbeschäftigung, mit der mehr als 425,70 Euro im Monat verdient wird, gemeldet werden. Untersagt der Dienstherr die Nebenbeschäftigung nicht innerhalb von sechs Wochen, darf sie ausgeübt werden. Bei einer Nebentätigkeit darf ein Bundesbediensteter maximal 200 Stunden im Jahr aufbringen, informiert das Bundesinnenministerium auf Anfrage der VN.

Ob der Beruf als Fahrprüfer für einen Polizisten oder Verwaltungsbediensteten vertretbar ist oder einen Interessenkonflikt hervorruft, wird demnach im Einzelfall geprüft. In allen Fällen ist der Zweitberuf zu untersagen, wenn der Eindruck der Befangenheit entstehen könnte oder die Hauptaufgaben darunter leiden könnten.
Interne Prüfungen
Im Falle der beiden Gemeindepolizisten war die Nebenbeschäftigung durch den Gemeindevorstand abgesegnet – mit der Auflage, dass diese in der Freizeit auszuüben sei. Da diese auch in der Nacht arbeiten, verfügen sie im Umkehrschluss auch über Tagesfreizeit, was eine Prüftätigkeit in der Freizeit ermöglicht. Man werde jedoch prüfen, ob die dienstrechtlichen Vorgaben eingehalten wurden und werden.
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Im Falle des leitenden Stadtbediensteten liege ebenfalls eine korrekte Meldung und Genehmigung der Nebenbeschäftigung vor. Er gehe dieser in seiner Freizeit nach und sie habe keinen Einfluss auf seine dienstlichen Pflichten, ist die Stadt überzeugt. Die Einteilung der Fahrprüfer obliege der Verkehrsrechtsabteilung des Landes. Entsprechend warte man nun auf die Ergebnisse der Aufarbeitung vonseiten des Landes, bevor weitere Schritte diskutiert werden.
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Die Landespolizeidirektion Vorarlberg stellt klar, dass der Nebentätigkeit nur außerhalb der Dienstzeiten nachgegangen werden durfte. Sie kündigte bereits vergangene Woche an, ihren Bediensteten die Tätigkeit als Fahrprüfer nicht weiter zu bewilligen.
Führerschein-Causa: Worum es konkret geht
HOHE DURCHFALLQUOTE In den letzten Jahren ist die Durchfallquote bei praktischen Fahrprüfungen in Vorarlberg deutlich angestiegen. Zuletzt ist jeder Zweite bei einer Prüffahrt gescheitert. Weit mehr als in anderen Bundesländern. Erklärung dafür gab es lange Zeit keine.
VN-ENTHÜLLUNGEN Vertrauliche Listen zu den Vergütungen der Fahrprüfungen dokumentieren ein lukratives Geschäft für einige der Prüfer. Einzelne von ihnen kamen auf einen Nebenverdienst von jährlich bis zu knapp 50.000 Euro.
GESCHÄFTSMODELL Das Geschäft mit Fahrprüfungen war im Vorjahr 580.000 Euro schwer. Die Hälfte davon spülten Wiederholungsprüfungen in die Sachverständigen-Kassa. Der Verdacht: mögliche Bereicherung auf dem Rücken von Fahrschülern.
WILLKÜR-VERDACHT Dutzende Fahrschüler haben sich in den letzten Tagen in der Redaktion gemeldet. Ihre Schilderungen zeichnen ein Bild von Willkür. Tatsächlich gibt es bei einzelnen Prüfern auffällig hohe Durchfallquoten.
NETZWERK Mehrere Quellen beschreiben ein Netzwerk einzelner Sachverständiger. Die Fäden sollen bei einem der Behördenmitarbeiter zusammenlaufen.