Großküche oder Sozialinstitution?
Österreichs Politik erntet, was die Vorgänger gesät haben. “Koste es was es wolle” ließ ein parasitäres Ausgabenmonster in den Budgets von Bund, Ländern und Gemeinden heranwachsen, das ein großes Loch hineinfraß. Unersättlich biss es schließlich die öffentliche Hand, die es fütterte. Besagte Hand erschrak und holte den Kammerjäger in Form eines Sparkurses. Da steht die Politik nun. Aus der Not geboren, haben manche die Chancen der Zeit erkannt. Sie wagen sich an Reformen im größeren Stil. Die Zeit drängt zwar, aber sie sollten sich eben jene nehmen. Es geht schließlich um Grundsätzliches.
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Österreich leistet sich ein ausgeprägtes soziales Netz. Ein Teil dieses Netzes wird von ausgelagerten Institutionen bedient. In Vorarlberg gibt es große Player wie die Caritas, die Lebenshilfe und die Aqua Mühle, aber auch kleinere Vereine wie örtliche Krankenpflegevereine und die Jugendarbeit. Der Arbeitgeberverein für private Sozial- und Gesundheitsberufe zählt über 100 Mitglieder, die teilweise unterschiedliche, teilweise ähnliche Aufgaben erfüllen. Finanziert wird deren Arbeit über den Sozialfonds. Das Land beauftragt die Institutionen mit einer Aufgabe und bezahlt sie dafür. In vielen Jahren wuchs ein System aus Institutionen, Programmen und Förderungen, das nicht nur schwer zu durchschauen, sondern vor allem schwer zu ändern ist. Die Landesregierung startet jetzt einen Versuch.
360 Millionen Euro schwer war der Sozialfonds vergangenes Jahr. Mehr als 40 Prozent – nämlich 221 Millionen Euro – gab das Land für den Bereich Senioren und Pflegevorsorge aus. Da konnte Soziallandesrätin Martina Rüscher diese Woche einen ersten Schritt verkünden: Das Tarifsystem wird umgestellt, zukünftig gibt es eine Grundfinanzierung und eine Pflegefinanzierung für die einzelnen Personen. Besonderheiten werden nicht mehr berücksichtigt. Dieses Modell soll Vorbild für den Sozialfonds sein. In der Heimlandschaft bedeutet das neue Tarifmodell, dass sich kleine Anbieter schwer halten können. Das könnte auch im Sozialfonds geschehen. Die Landschaft wird sich verkleinern.
Die Arbeit der Sozialinstitutionen ist unerlässlich, dennoch dürfen sie sich einem kritischen Blick nicht erwehren. Etwa große Institutionen, die mit ihren vom Land bezahlten Auftragsleistungen um Spenden für einen angeschlossenen Verein werben und besagter Verein über Immobilien und Geld verfügt. Oder wenn mehrere Organisationen dieselbe Leistung erbringen, jede ein eigenes Büro mietet, eigene Geschäftsführer bezahlt und untereinander um Klienten buhlen.
Aber das wird nicht reichen. Bevor sich die Landesregierung und die Sozialinstitutionen über Geld unterhalten, müssen sie Grundlegenderes klären: Welche öffentlichen Aufgaben lagert die Landesregierung an (halb)private Institutionen aus? Wie lautet deren Aufgabe?
Besondere Beispiele dafür liefern die – nicht vom Sozialfonds, sondern vom AMS finanzierten – sozialökonomischen Betriebe. Offiziell sollen sie Menschen ausbilden und beschäftigen, die derzeit keine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Sie sind jedoch für die Allgemeinheit längst durch andere Aufgaben unerlässlich geworden. Aqua Mühle sorgt dafür, dass Kindergärten und Schulen warme Mittagessen anbieten können und baut zusammen mit Integra beinahe jeden Spielplatz im Land. Ist das die Aufgabe einer sozialen Institution? Oder vielleicht eher einer Gemeinde?
Fragen wie diese gilt es zu klären, bevor über Strukturen und das liebe Geld gesprochen wird. Nur so gelingt eine nachhaltige Bekämpfung des Ausgabenmonsters; mit dem Nebeneffekt, das Sozialsystem für die Zukunft zu rüsten.
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