Gemeinden unter Spardruck: “Irgendwann wird das System nicht mehr funktionieren”

Politik / 03.10.2025 • 14:08 Uhr
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Die Anforderungen steigen, die Ertragsanteile sinken: Notwendige Aufgaben sind für viele Gemeinden kaum noch zu stemmen. APA

Die finanzielle Situation in Österreichs Gemeinden spitzt sich zu.

Wien Das Defizit ist um eine Milliarde höher als angenommen. Hauptverantwortlich sind Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. „Es gibt dort wirklich Finanzierungsprobleme“, sagte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) bei der Präsentation des aktuellen Budgetpfads in Richtung Gemeinden. Nur 53 von über 2000 Gemeinden sind schuldenfrei. Besonders dramatisch ist die Lage in Vorarlberg. Laut Statistik Austria beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung in Vorarlberg 2913 Euro – mehr als das Dreifache von Salzburg mit 862 Euro. Ein Grund: Zahlungen der Gemeinden an die Länder.

Gemeindewahl 2025, Bürgermeister Simon Tschann gewinnt erneut und bleibt im Amt
Bürgermeister Simon Tschann fordert ein Umdenken bei allen Beteiligten. Auch die Grundsteuer sollte endlich umgesetzt werden, sagt er den VN. VN

Große Einschnitte in Vorarlbergs Gemeinden

Bürgermeister Simon Tschann fordert mehr Unterstützung. „Wir stecken in Bludenz mitten in einer strukturellen Finanzreform. Große Einschnitte sind nötig. Es braucht dringend Unterstützung von Bund und Land.“ Auch in der Steuerpolitik fordert er Bewegung. Die Grundsteuer müsse angepasst werden – sie sei seit 30 Jahren nicht indexiert worden.

Ein weiterer Belastungsfaktor ist der Sanierungsbedarf öffentlicher Gebäude. Durch die neue EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) stehen zusätzliche, umfangreiche Investitionen bevor. Tschann zeigt Verständnis, warnt aber: „Ich werde die nötigen Mittel in diesem Tempo wohl nicht aufbringen können.“ Generell brauche es ein Umdenken: „Wir müssen uns von der Selbstbedienungsmentalität verabschieden. Wenn der Staat spart, muss auch die Bevölkerung sparen.“

Hangrutsch Hörbranz
Bürgermeister Andreas Kresser berichtet von notwendigen Investitionen, so wird in Hörbranz endlich der Bildungscampus ausgebaut. Andere Projekte sind aber noch immer in der Warteschleife. VN/Beater Rhomberg

Projekte in der Warteschleife

Andreas Kresser ist Bürgermeister von Hörbranz, berichtet ebenfalls von großen Investitionen, die die Gemeinde leisten muss. Dazu gehören die Erweiterung des Schulcampus und die Erneuerung der Turnhalle. Zwar zählt seine Gemeinden zu jenen mit spürbaren Kommunalsteuereinnahmen. Dennoch seien weitere Einsparungen unausweichlich. Denn wie überall sinken die Ertragsanteile, während Ausgaben und Anforderungen steigen. „Die Gemeinden leisten sehr viel. Aber der Spagat wird immer schwieriger. Irgendwann wird das ganze System nicht mehr funktionieren.“ Schon jetzt müssten Projekte Jahr für Jahr weiter verschoben werden.

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Sechs von zehn Steuer-Euros an Länder

Österreichs Gemeinden sind zusammen mit 23 Milliarden Euro verschuldet. Nicht jedes Bundesland schneidet gleich ab. Die Gemeinden erhalten zwar einen Teil der österreichweiten Steuereinnahmen, wie viel sie davon an die Bundesländer überweisen müssen, ist aber von Land zu Land unterschiedlich, erklärt Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). In Salzburg ist das relativ wenig.

Mit diesen Landesumlagen werden unter anderem Krankenhäuser, Pflege und Familienhilfen finanziert. Österreichweit müssen die Gemeinden so laut KDZ-Berechnungen sechs von zehn Steuer-Euros aus dem Finanzausgleich wieder an die Länder weiterleiten. Aktuell laufen die Verhandlungen zum Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung. In diesem Zusammenhang sollen Zuständigkeiten bis Ende 2026 neu verteilt werden, die VN berichtete über diese geplante Föderalismusreform.

Warth am höchsten verschuldet

Auch Gemeindezusammenlegungen werden nun einmal mehr von Experten angeregt. Denn ein weiterer wesentlicher Faktor bei den Gemeindeschulden ist die Infrastruktur. Und hier ist neben der Kostenteilung mit dem Bundesland auch die Größe entscheidend, etwa bei Kindergärten oder Musikschulen. Die Basisinfrastruktur verursacht für sehr kleine Gemeinden in Relation hohe Kosten, betont Mitterer vom KDZ. Das sei eines der Argumente für Gemeindezusammenlegungen.

Die Gemeinde mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung ist übrigens Warth in Vorarlberg. Es hatte 2023 Schulden von 43.957 Euro pro Einwohner (damals waren es 164). Danach folgen Kaisers in Tirol (27.242 Euro) und Lech (27.052) auf Platz drei. Von den zehn Gemeinden mit der höchsten Verschuldung ist Lech die Einzige mit mehr als 1000 Einwohnern.