Kommentar: Vorarlberg, das Land der geplatzten Wohnträume
Der Vorarlberger Traum ist längst dazu verdammt, ein Traum zu bleiben. Schaffa, schaffa, Hüsle baua. Was so schön klingt, können sich Normalverdiener ohne Erbhintergrund nicht einmal mehr erträumen. Expertinnen und Experten befürchten, dass der Preisschock der vergangenen Jahre nicht mehr korrigiert werden kann. Die Preise bleiben. Die Baukosten stagnieren zwar, die Löhne aber ebenso. Die Schere bleibt offen: Wer Eigentum möchte, muss Eigentum besitzen. Ohne Startkapital kein Fremdkapital. Ohne Fremdkapital kein Eigentum.
Wer davon träumt, zunächst zur Miete zu wohnen und sich jeden Monat Geld auf die Seite zu legen, dem droht spätestens beim Studium der Immobilienanzeigen ein böses Erwachen. Ein junges Paar – beide in Vollzeit tätig – in einer Ein- oder Zweizimmerwohnung muss einige Jahre darin verbringen, um ein halbwegs vernünftiges Startkapital anzusparen.
Ein Blick auf laendleimmo.at zeigt die aktuelle Marktsituation: Ein Zimmer mit eigenem Bad in Hohenems, zwölf Quadratmeter, kostet warm 560 Euro. Eine Einzimmer-Dachgeschosswohnung in Lustenau 410 Euro, eine in Hard 595 Euro. Erfüllt sich dieses Paar den Traum vom Kind, platzt jener von der Eigentumswohnung. Wenn der Platzbedarf steigt, steigt die Miete – womit die Möglichkeit sinkt, sich ein Startkapital anzusparen.
Zum Glück verlieben sich Menschen und heiraten. Sie erfüllen sich den Traum einer glücklichen Beziehung, teilen sich die Rollen, die Arbeit, die Finanzierung. Bis sie aufwachen: 40 Prozent der Ehen werden geschieden. In Vorarlberg gibt es 5390 Alleinerziehende (großteils Frauen) mit Kindern unter 18 Jahren. Die Realität: alleinerziehend, zwei Kinder, Teilzeit wegen Betreuungspflichten. Da ist die renovierte Dreizimmerwohnung in ruhiger Lage in Hörbranz für 966 Euro noch irgendwie leistbar – auf 55 Quadratmetern wird das Familienleben schon funktionieren. Ein bisschen mehr Platz wäre aber nicht schlecht, außerdem etwas zentraler. Wie wär’s mit der Dreizimmerwohnung in Götzis? 67 Quadratmeter? 1518 Euro monatlich. Na Mahlzeit.
Mit einem (bei zwei Kindern realistischen) Beschäftigungsausmaß von 60 Prozent muss man schon in einem höher qualifizierten Job tätig sein, um 1500 Euro netto zu erreichen. Der Monatslohn ist also dahin, Familienbeihilfen und Alimente gehen für Nahrung, Auto und weitere Fixkosten drauf. Bleibt übrig: nichts. Urlaub? Oder gar Altersvorsorge? Höchstens im Land der Träume.
Das Missverhältnis zwischen Einkommen und Wohnkosten in Vorarlberg wird zum Standortnachteil. Vorarlberg ist für Fachkräfte weniger attraktiv, die Landesregierung muss mit Wohnbeihilfen, Heizkostenzuschüssen und weiteren Sozialhilfen das Landesbudget belasten, der private Konsum geht zurück. Zudem steigt die gesellschaftliche Spannung: Die Erbenden leisten sich weitere Wohnungen und Grundstücke, Mieter bleiben Mieter. Laut der AK-Studie „Wem gehört das Land“ besitzen schon jetzt zwei Drittel aller Vorarlbergerinnen und Vorarlberger weder ein Wohnbaugrundstück noch einen Wohnungsanteil.
Die hohen Wohnkosten von heute sind aber vor allem die Altersarmut von morgen. Alle träumen davon, den Ruhestand – oft zitiert – genießen zu können. Für viele wird es ein Traum bleiben. Die Realität sieht anders aus.
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