Kommentar: Schwere Geburt
Die Meldungen über den tragischen Tod einer Patientin in einem oberösterreichischen Krankenhaus erweckten den Eindruck, dass sich das österreichische Gesundheitssystem auf dem Niveau eines Entwicklungslandes befindet. Die Frau starb, weil es kein Spital in ihrem Umfeld gab, in dem sie rechtzeitig operiert werden konnte. Aufgescheuchte Politiker forderten Abhilfe. Erst allmählich sickerten differenziertere Nachrichten durch: Dass das Todesrisiko bei diesem Notfall von vornherein äußerst groß war, dass die richtige Behandlung eine hochkomplexe Operation durch Spezialisten innerhalb kürzester Zeit erforderte und die erforderlichen Ressourcen leider blockiert waren.
Das Gesundheitssystem wird immer wieder an seine Grenzen stoßen. Nicht jeder Notfall wird rechtzeitig versorgt werden können, da mögen die Politiker noch so lautstark „Aufklärung“ fordern und parteiübergreifend „so-was-darf-nie-wieder-vorkommen“ skandieren. Das Geld für eine Rundumversorgung ist schlicht und einfach nicht vorhanden.
Um das gegenwärtige – gute – Niveau zu halten, sind im Gegensatz dazu massive Kostensenkungen erforderlich, die derzeit in Vorarlberg – wie in den anderen Bundesländern auch – durch eine Spitalsreform verwirklicht werden sollen. Es ist unter den Gesundheitsökonomen völlig unbestritten, dass die immer weiter voranschreitende Spezialisierung Schwerpunktbildungen erfordert, wenn man schon nicht so weit gehen will, ganze Spitäler zu schließen. Nicht an jedem bisherigen Krankenhausstandort können alle Leistungen erbracht werden. Wie viele Geburtenstationen das Land benötigt und wo sie eingerichtet sein müssen, haben Fachleute zu entscheiden und nicht Bürgermeister.
Wenn das Land nicht imstande ist, eine sinnvolle, ressourcenschonende Reform zu liefern, die die Finanzierbarkeit eines Gesundheitswesens auf modernem Stand gewährleistet, werden die Folgen dramatisch sein. Der Bund wartet darauf, die Länder auf diesem Gebiet entmachten zu können. Dann werden sich genügend Gesundheitsökonomen finden, die der Meinung sind, dass ein einziges Spital für Vorarlberg genügt und es überhaupt reicht, wenn schwierige Eingriffe in Innsbruck vorgenommen werden. Noch kann Vorarlberg den Weg selbst bestimmen, aber das Zeitfenster ist nicht mehr lange geöffnet. Kein Bürgermeister sollte glauben, dass er in Wien etwas ausrichten wird.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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