Kommentar: Kopftuch statt Strategie
Wir befinden uns in wirtschaftlichen Turbulenzen, die weit über die üblichen konjunkturellen Schwankungen hinausgehen. Ausgelöst wurden sie von externen Ereignissen, wie dem Überfall Russlands auf die Ukraine oder durch den europäischen Alleingang in der Klimapolitik. Beides hatte deutlich höhere Energiepreise zur Folge. In Österreich haben wir darüber hinaus das Kunststück zusammengebracht, auf die höchste Inflation Europas zu kommen. Mit dem logischen Ergebnis, dass die Arbeitskosten durch die Decke schießen und sich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportbetriebe nachhaltig verschlechtert.
Damit nicht genug: Die erzwungene Transformation der Autoindustrie in Richtung Elektrifizierung hat die europäischen Autobauer am falschen Fuß erwischt und zu einer automatischen Bevorzugung der chinesischen Konkurrenz geführt. Diese hat zwar bei Verbrenner-Motoren den Rückstand gegenüber Europa nie aufholen können, dafür aber bei E-Antrieben einen technischen Fortschritt herausgearbeitet. Mittels staatlicher Subventionen haben wir zudem den chinesischen Autokonzernen den Marktzugang quasi bezahlt, weil wettbewerbsfähige europäische E-Autos fehlten. Den Preis dafür zahlen wir als Zulieferer in die Autoindustrie durch den Verlust vieler qualifizierter Arbeitsplätze. Das wäre angesichts des demografisch bedingten Arbeitskräftemangels kein großes Problem, solange andere Branchen den Arbeitsmarkt stabilisieren. Warum sie es derzeit aber nicht können, liegt nicht an externen Effekten, sondern am politischen Können, Wollen und Handeln auf Landes- und Bundesebene. So streitet man in Wien lieber über ein Kopftuchverbot für muslimische Mädchen als über die Zukunftsperspektive der heimischen Industrie.
Auf Landesebene kommen maßgebliche Infrastruktur- und Bauprojekte aufgrund komplizierter, langwieriger Behördenverfahren, aber auch politischen Unwillens oft jahrelang nicht zur Umsetzung. Das macht in Zeiten der Hochkonjunktur nicht viel aus, ist jetzt aber fatal, weil es genau dies braucht, um aus der Krise herauszukommen: eine klare Strategie sowie das Bündeln von Kräften zur Ankurbelung der Wirtschaft. Davon ist in Vorarlberg leider wenig zu sehen. Dabei hat gerade die jüngste Krankenhausdebatte gezeigt, dass es Regierungsmitglieder gibt, die frau genug sind, klare Entscheidungen zu treffen und auch umzusetzen. Dieser Spirit fehlt der Landesregierung, wenn es um die Zukunft unserer Wirtschaft geht. Dieser wiederum fehlt ein Gegenüber, das bereit ist, antizyklisch zu agieren, mehr zu investieren und bei notwendigen Verfahren als unterstützender Partner der Unternehmen aufzutreten. So kompliziert wäre es eigentlich nicht, wenn der Wille und die Bereitschaft zum Dialog vorhanden wären.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.
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