Christian Rainer

Kommentar

Christian Rainer

Kommentar: Tunnelblickland (mit Wallner-Blick)

Politik / HEUTE • 13:34 Uhr

WIFO und IHS haben dieser Tage den Konjunktur-Kerzenschein angezündet: 2025 ein reales Plus von rund 0,5 Prozent, 2026 irgendwo zwischen 1 und 1,2, 2027 noch einmal ein Stückchen mehr. „Licht am Ende des Tunnels“ nennt man das, während man gleichzeitig dazusagt, der Boden sei fragil und die Erholung stehe auf tönernen Füßen. Genau so fühlt sich Österreich an – wie ein Land, das sich über Prognosen freut, weil es bei der Politik längst keine Freude mehr findet.

Parallel zu den vorsichtigen Wachstumskurven läuft die Republik weiter im Kreis. Mercosur, dieses 25-Jahre-Freihandelsmonument, wird wieder vertagt – bis Jänner 2026, mindestens. In Brüssel knattern Traktoren durchs Viertel, und Österreich übt die alte Disziplin der Traktor-Diplomatie: Sobald irgendwo „Bauern“ draufsteht, wird aus Europa eine Alm und aus Handel ein Heumarkt. Die Agrarlobby ist bei uns nicht Interessenvertretung, sie ist Interessenregierung. Wer „Wettbewerbsfähigkeit“ sagt, wird von der Mähmaschine der Bedenken überrollt.

Und dann der Föderalismus, unser liebstes Stehaufmännchen. Sepp Schellhorn lässt den Gedanken fallen, man könnte mit drei statt neun Bundesländern auskommen – zack, ist die Landesfürstenbeleidigung da. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner nennt das „extrem respektlos“ und schimpft zugleich über Wien, weil bei einem Autobahnanschluss wieder „Bürokratenkram“ im Weg stehe. Respektlos ist eher, dass jede Reform sofort als Landesidentitäts-Entführung inszeniert wird. Neun Mini-Reiche verteidigen ihre Besitzstandsbastionen, als wären sie Weltkulturerbe, und die Bundesregierung schaut zu, weil sie die Länder als Koalitionskitt braucht, um nicht auseinanderzufallen.

Strom? Teuer, teuer, teuer – und das im Wasserkraft-Wunderland, dessen Anlagen vielfach längst amortisiert sind. Der Preis kommt trotzdem als Weltmarkt-Wetter daher, weil das Merit-Order-Prinzip das teuerste Kraftwerk zum Preismacher adelt. Netzentgelte steigen, Entlastungen laufen aus, die Stromkostenbremse wird Erinnerung – und die Rechnung wird zum Erziehungszettel: Wer friert, soll verstehen. Gleichzeitig liest man von Milliardengewinnen im Stromsektor und fragt sich, warum Wasser hierzulande reichlich fließt, aber als Rosenwasser verrechnet wird. Und während man uns das als alternativlos erklärt, hängt dem Staat ein Defizit von über vier Prozent am Rücken wie ein nasser Mantel.

Gesundheit, Pflege, Schule: Überall bräuchte es Zusammenführung statt Zuständigkeits-Zerfaserung, Durchgriff statt Durchwurschteln. Doch jeder Vorstoß bleibt im Kompetenz-Kleingedruckten hängen, in den Parallelwelten von Kassa, Land und Bund. Pensionen: Frauen würden ohnehin stufenweise Richtung 65 gehoben, Männer seien dort längst (in der Realität fake news) – und politisch tut man so, als wäre schon das Aussprechen von „länger arbeiten“ staatsgefährdend, während andere Länder längst bei 67 stehen. Österreich altert, aber reformiert sich wie ein Teenager, der „gleich“ sagt und dann drei Stunden scrollt.

Und deshalb traue ich diesem „Aufschwung“ nicht. Rundherum ist Systemkrieg: USA und China, Sicherheit und Technologie, Energie und Industrie – alle im Umbau, alle in der harten Frage, wofür sie stehen. Österreich steht wofür? Für eine türkis-rot-pinke Notkoalition auf Legislaturperioden-Diät, die auf Bundesländer, Branchen und Einzelinteressen schielt und Stabilität sagt, wenn sie Stillstand meint. Licht am Ende des Tunnels ist möglich. Aber wenn man im Tunnel stehen bleibt, wird Licht schnell Gegenverkehr.