Die Rückkehr der Nashörner

Wo früher Ananas wuchsen, erstreckt sich heute das Phinda Naturschutzgebiet.
Zwana, der Fährtenleser, signalisiert Ranger Gus am Steuer mit seiner rechten Hand, dass er seinen Wagen stoppen möge. Wir sitzen mucksmäuschenstill in dem offenen Geländewagen in der Wildnis des Phinda Naturschutzgebietes im südöstlichen Teil Südafrikas. Gemeinsam untersuchen Zwana und Gus Löwenspuren im Sand – sie sind erst einige Stunden alt. „Die Löwen müssen hier in der Nähe sein“, sind sie sich sicher. Tatsächlich hält nur ein paar Hundert Meter weiter mitten auf unserem Weg ein Löwenbrüderpaar eine Verdauungssiesta. Lange bleiben wir regungslos sitzen und halten mit unseren Fotoapparaten die beiden Löwen, die zu den begehrtesten Wildtieren auf einer Safari gehören, fest. Nur ein paar Kilometer weiter der nächste Halt. Hier teilen sich Elefanten, Giraffen, Zebras und Antilopen aller Größen friedlich eine Grasfläche.
Spurensucher Zwana ist hier aufgewachsen und kennt das gesamte „Phinda Private Game Reserve“ wie seine Westentasche. Dabei war das heutige Wildreservat früher in mehrere Ananas- und Viehzuchtfarmen aufgeteilt. In einer davon hat er als Kind das Vieh gehütet und ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten. So lernte er bereits als kleiner Junge, die Wildnis zu lesen, zu verstehen und zu respektieren.
Im Jahr 1991 verkauften die Farmbesitzer ihre 130.00 Hektar an das Unternehmen „andBeyond“, einen Betreiber luxuriöser Safari-Unterkünfte in verschiedenen Ländern Afrikas und Südamerikas. Heute umfasst das private Phinda Naturschutzgebiet in der Provinz KwaZulu-Natal 285 Quadratkilometer. „andBeyond“ setzt auf nachhaltigen Tourismus und hat sich den Schutz wertvoller Naturräume auf die Fahnen geschrieben. Um die Tierwelt seinerzeit auf dem ehemaligen Farmland zu vervollständigen, wurden unter anderem alle Big Five wieder angesiedelt. Damit nahm die „Rückkehr in die Wildnis“ ihren Anfang.
Wilderer sind noch immer aktiv
In den 1990er Jahren fing Zwana in dem privaten Park als Spurensucher an, um Wilderern auf die Schliche zu kommen. Wilderei ist bis heute ein riesiges Problem in Südafrika: In den vergangenen zehn Jahren wurden 9000 Nashörner getötet. Noch heute fallen täglich zwei bis drei dieser mächtigen, behäbigen Tiere, die sich von Ästen und Blättern ernähren, Wilderern wegen ihres begehrten Horns zum Opfer. „In unserem Park“, so berichtet Simon Naylor, der bei „andBeyond“ für Südafrika zuständig ist, „schneiden wir unseren Nashörnern das Horn regelmäßig alle 18 Monate ab, da es in dieser Zeit – wie bei unseren Fingernägeln – wieder nachwächst“. Damit schütze man die seltenen Tiere vor möglichen Wilderern, die das Horn hauptsächlich nach Asien verkaufen. Dort haben die drei bis fünf Kilogramm schweren Hörner einen Marktwert von 100.000 Dollar pro Kilo. Durch diese Schutzmaßnahmen und konsequente Nachzucht wächst der Bestand sehr langsam wieder an. Insgesamt sorgen 60 schwer bewaffnete Personen für die Sicherheit der Nashörner im Naturschutzgebiet.
Immer wieder geraten wir bei unseren morgendlichen und nachmittäglichen Ausfahrten in ehrfürchtiges Staunen. Wie bei den beiden Geparden, die wieder einmal von Zwana und Gus im Teamwork friedlich dösend im Schatten eines Baumes zum Streicheln nah entdeckt werden. Sie kümmern sich nicht weiter um uns, da sie sich nicht bedrängt fühlen. Ohne Leoparden-Begegnung – der letzten der Big Five für uns – verlassen wir das Phinda Naturschutzgebiet. Ein letzter Blick schweift über die üppige Buschlandschaft und die Lebombo-Berge. Zwana und Gus nehmen wir zum Abschied noch einmal kräftig in den Arm. Wohl wissend, dass wir die gewonnenen Eindrücke nie vergessen werden.

