Erschütterte Wirtschaft, Ansturm auf Banken

Spezial / 16.01.2015 • 22:38 Uhr

Franken als Fluch für Schweizer Wirtschaft. Bahn reagiert mit Zusatzplätzen.

Schwarzach. „Ein lachendes und ein weinendes Auge“, hat Vorarlbergs Wirtschaftskammer-Chef Manfred Rein wegen der Aufhebung
des Euro-Franken-Mindestkurses. Während manche Betriebe sicher profitieren würden, hätten andere mit Problemen zu kämpfen. Vor allem die Betriebe mit hohen Franken-Werten in ihrer Bilanz könnten „leiden“. Die Entwicklung selbst kam für den Präsidenten – wie für so ziemlich alle – komplett unerwartet.

Wahrscheinlich hatten auch die Banken nicht mit so einem Ansturm gerechnet. Die Mitarbeiter in den Geldhäusern hatten ordentlich zu tun. Nicht nur mit der Beratung von besorgten Franken-Kreditnehmern, sondern auch mit den Wechselwütigen. Denn zwei Tage nach dem Erdbeben in der Schweizer Finanzwelt haben Österreicher, Deutsche, Franzosen oder Italiener, die in die Schweiz zur Arbeit pendeln, quasi über Nacht eine üppige Gehaltserhöhung bekommen – sofern sie in Schweizer Franken bezahlt werden. Und dies beschert den Wechselstuben Hochkonjunktur. Der Andrang beim Umtausch von Franken in Euro war bereits am Freitag riesengroß. Vor allem grenznahen Banken wie der Thurgauer Kantonalbank (TKB) gingen die Euro-Scheine aus. Teilweise wurden sie rationiert. Die Kantonalbank von Basel Land wechselt nur noch für bestehende Kunden Franken gegen Euro. Es können nur noch 1000 Euro pro Kunde und Tag verkauft werden. Geldautomaten würden derzeit nicht mit Euro nachgefüllt. Viele Banken teilten schon per Aushang an der Eingangstür mit, dass keine Euro-Noten mehr zu haben sind.

Bahn reagiert sofort

Viele Schweizer Verbraucher wollen offensichtlich am Wochenende in Scharen nach Deutschland und Österreich zum Einkaufen pilgern, da es dort wegen des schwächeren Euro für sie nun billiger geworden ist. Dafür hat sich auch die Schweizer Bahn gewappnet: Sie verstärkt am heutigen Samstag die wichtigsten Züge von Zürich nach Konstanz mit zusätzlichen Wagen, um genügend Sitzplätze anbieten zu können.

Wirtschaft leidet

Für die Schweizer Wirtschaft könnte die Freigabe des Franken-Kurses indes zum Fluch werden. Auch die Hoffnung der Notenbank, den Franken-Kurs trotz der Abkoppelung vom Euro im Griff zu halten, hat sich nicht erfüllt. Der Franken kostete auch am gestrigen Freitag fast einen Euro – rund ein Fünftel mehr als lange Zeit zuvor. Die Börsen bleiben in Moll gestimmt, denn ein teurer Franken bedeutet Ungemach für viele Firmen. Die Großbank UBS traut der Alpenrepublik heuer sogar nur noch ein mageres Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent zu, eine drastische Korrektur nach optimistischen 1,8 Prozent zuvor. Es wird noch drastischer: Die UBS rechnet damit, dass die Schweizer Warenexporte allein in die Eurozone um etwa fünf Milliarden Euro einbrechen. Die Schweizer Wirtschaft selbst hatte die SNB-Entscheidung „nicht nachvollziehbar“ genannt. Es bestehe die Gefahr, dass der Franken derart stark bleibe, dass sich die Exportindustrie und der Tourismus nicht schnell genug an die neuen Währungsverhältnisse anpassen könnten. Viele Betriebe, die bei einem „vernünftigen“ Wechselkurs wettbewerbsfähig wären, müssten wohl „ihre Segel streichen“.

Nachbeben an Börse

An der Schweizer Börse sorgte die Freigabe des Franken für ein Nachbeben: Der Leitindex SMI verlor weitere vier Prozent. Am Donnerstag hatte er bereits einen historischen Kurseinbruch von zeitweise fast 14 Prozent verzeichnet. Am deutschen Aktienmarkt ist der Franken dagegen kein Thema mehr: Der DAX erklomm am Freitag sogar ein Rekordhoch, nachdem er am Vortag zumindest kurzfristig eingeknickt war.