Kunst hilft, Gefahr für Zivilisation zu sehen

Spezial / 22.07.2015 • 20:52 Uhr
Dass es in „Turandot“ spektakuläre Tanz- und Akrobatikszenen gibt, davon konnte sich gestern Mittag auch das Publikum des offiziellen Eröffnungsaktes überzeugen.
Dass es in „Turandot“ spektakuläre Tanz- und Akrobatikszenen gibt, davon konnte sich gestern Mittag auch das Publikum des offiziellen Eröffnungsaktes überzeugen.

Die 70. Bregenzer Festspiele wurden feierlich, aber auch mit kritisch mahnenden Worten eröffnet.

Bregenz. Nachdem der Start der Bregenzer Festspiele 1946, im ersten Friedensjahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, erfolgte, nahmen es Bundespräsident Heinz Fischer wie auch Kulturminister Josef Ostermayer zum Anlass, in ihren Reden zur offiziellen Eröffnung der 70. Festspielsaison auf moralische Anliegen zu verweisen: „Bei den Festspielen standen die Idee der Freiheit und des Friedens und die Würde des Menschen, die Fähigkeit
zum Dialog im Mittelpunkt der Gründungsbemühungen“, erinnerte der Bundespräsident. Die Tatsache, dass dieser Gründungsakt nunmehr schon viele Jahrzehnte zurückliegt, dürfe nicht dazu führen, dass wir diese Anliegen aus den Augen verlieren.

Fischer: „So sind gerade Festspiele im Europa des Jahres 2015 gefordert, Frieden, Freiheit und Menschenwürde sowie den wuchtigen Satz aus der Menschenrechtsdeklaration, wonach alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind, am Beispiel des Umgangs mit Flüchtlingen ins Gedächtnis zu rufen und mit Leben zu erfüllen.“ Dass wir verpflichtet sind, denen, die von unserem Land Schutz und Asyl zugesprochen bekommen, unabhängig von ihrer Religion oder Staatsbürgerschaft ein Stück Menschenwürde zu gewähren, das steht für ihn, wie der Bundespräsident bei seiner letzten Eröffnung besonders betonte, fest.

Betonte Distanzierung

Kulturminister Josef Ostermayer wurde noch deutlicher. Kunst und Kultur können helfen, Demagogen von seriösen Analytikern zu unterscheiden, und sie können die Grenzen zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit aufzeigen, bevor diese für jeden offensichtlich geworden sind. Damit leitete der Politiker der SPÖ zu einer betonten Distanzierung von einem Begriff über, der zuletzt in den Reihen der ÖVP-Minister gefallen war: „Ich wurde besorgt, als in den letzten Tagen das Wort ,übersolidarisch‘ verwendet wurde, vermeintlich im Sinne von ,zu viel‘. Der Begriff ,übersolidarisch‘ macht mir deshalb Sorgen, weil er suggeriert, es könne zu viel Miteinander geben. In jeder und daher auch in unserer Gesellschaft kann es nie zu viel Solidarität geben.“ Der Zusammenhalt, das Miteinander und nicht das Gegeneinander seien die Basis einer aufgeklärten zivilisierten Gesellschaft.

Erste Intendantin

Offenheit, Toleranz und Förderung müssten weiterhin die Leitmotive bleiben, wenn Wohlstand wachsen und nur Ausgrenzung ausgeschlossen werden soll, erklärte auch Festspielpräsident Hans-Peter Metzler, der allen Mitwirkenden vor und hinter der Bühne dankte und die neue künstlerische Leiterin und erste Intendantin der Festspiele, Elisabeth Sobotka, vorstellte, die vom Publikum mit herzlichem Applaus begrüßt wurde.

Kulturminister Ostermayer ergriff die Gelegenheit, sich bei Unterstützern aus Vorarlberg im Zuge der Neuorientierung in den Bundestheatern zu bedanken. Günter Rhomberg, ehemaliger Präsident der Festspiele, ist seit einem Jahr bereit, als interimistischer Geschäftsführer der Holding die Neustrukturierung maßgeblich mitzusteuern, Sobotka zählte zur Kommission zur Bestellung der Leitung des Burgtheaters, die nun Karin Bergmann innehat. Dass Yilmaz Dziewior, bis kürzlich Direktor des Kunsthauses Bregenz, die qualitätsvolle Präsenz von Österreich bei der Venedig-Biennale verantwortet, fand zudem eigens Erwähnung.

Im innersten Kern von Festspielen muss eine Idee stehen, ein Prinzip oder ein moralisches Anliegen.

BP Heinz Fischer
Bundespräsident Heinz Fischer konnte bei seiner letzten Festspieleröffnung die neue Intendantin Elisabeth Sobotka willkommen heißen.
Bundespräsident Heinz Fischer konnte bei seiner letzten Festspieleröffnung die neue Intendantin Elisabeth Sobotka willkommen heißen.