Revolte der Mittelklasse in den USA

Spezial / 09.11.2016 • 22:52 Uhr
Ein Trump-Unterstützer jubelt über den Ausgang der Wahl.
Ein Trump-Unterstützer jubelt über den Ausgang der Wahl.

Ursachen für Trumps Siegeszug liegen in der gesellschaftlichen Veränderung.

washington. Pennsylvania, Ohio und Michigan machten das Rennen um das Weiße Haus spannend. Die Wahlergebnisse im „Rostgürtel“, der ältesten und größten Industrieregion der USA, waren prototypisch für den Ausgang dieser Wahl in der ältesten und mächtigsten Demokratie der Welt. Weiße, männliche Arbeiter wendeten sich von ihrer Partei, den Demokraten, ab und folgten dem Spektakel Donald Trumps, der sich gegen alle Regeln und Eliten stellte.

Doch trotz des Medienphänomens als Twitter-König in diesem auch für amerikanische Verhältnisse außergewöhnlich schmutzigen Wahlkampf, liegen die Ursachen für Trumps Sieg in einer seit 30 Jahren andauernden, globalen gesellschaftlichen Veränderung. Dieser Wahlerfolg basiert auf einer Revolte der Mittelklasse in den USA und von jenen, die sich zu Unrecht davon ausgeschlossen fühlen. So sind vor allem im Mittleren Westen aufgrund der Globalisierung und Automatisierung die Jobs jener Fabrikarbeiter verschwunden, die früher treue Stammwähler der Demokraten waren. Sie fanden zwar neue Arbeit, doch die bietet weder Status noch Einkommen von zuvor.

Wandel nicht akzeptiert

Gegen den Ärger und Vertrauensverlust nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die traditionellen Parteien nie eine Antwort gefunden. Waren in den 1980er Jahren noch zwei Drittel der amerikanischen Gesellschaft der Meinung, dass die Regierung ihre Sache gut mache, sind dies heute nur mehr magere 18 Prozent. So konnten die Korruptionsvorwürfe gegen Hillary Clinton auf fruchtbaren Boden fallen. Die signifikanteste Veränderung in den letzten 30 Jahren ist aber die Gleichstellung von Frauen und Minderheiten. Vor allem religiös geprägte Gruppen und ältere Menschen können diesen Wandel nicht akzeptieren und fanden in Trump einen verständnisvollen Unterstützer. Sein Slogan „Making America great again“ erreichte zusätzlich jene patriotischen Herzen, die das Aufrücken Chinas und Russlands zur ehemals dominierenden Weltmacht USA schmerzte und dies Barack Obama und seiner ehemaligen Außenministerin anlasteten. Auch Journalisten streuen am Tag nach der Wahl selbstkritisch Asche auf ihr Haupt. Ihnen waren Quote und Aufmerksamkeit mit Hilfe der verbalen Grenzüberschreitungen wichtiger als ihre demokratiepolitische Verantwortung.

Einfaches Rezept

Trumps Erfolgsrezept war einfach und global: Er verließ sich auf seinen Bauch, begeisterte seine Anhänger, war der Außenseiter, konnte die ohnehin niedrigen Erwartungen nicht enttäuschen und stand für einen radikalen Wechsel. Vor allem aber formulierte er in deftigen Worten, was viele gerne hören wollten. Hillary Clinton wurde hingegen für ihre Komplexität, für ihren Versuch, ihre Privatsphäre zu schützen und für ihre lange Anwesenheit in der Politik bestraft. Im Stich gelassen haben sie aber vor allem Frauen, Minderheiten und junge Wähler, von denen gar nur jeder Zehnte wählen ging. Ähnlich wie beim Brexit hat politische Apathie jener Gruppen zu politischen Mehrheitsverhältnissen geführt, deren Interessen nun am stärksten gefährdet sind. Mit der republikanischen Mehrheit im Kongress hat Trump alle Möglichkeiten, nur seine eigene Partei kann ihn zur Mäßigung zwingen.

Nach dem Sieg von Trump kam es zu Protesten. US-Medien zeigten Bilder unter anderem aus dem kalifornischen Oakland und aus Portland in Oregon. Dort blockierten Demonstranten Straßen. In einigen Fällen wurden auch US-Flaggen verbrannt. Viele Demonstranten riefen: “Nicht unser Präsident!”, so auch vor dem Trump-Tower.