Wolfgang Burtscher
Österreichs Antwort auf Brexit und Trump ist bemerkenswert, die Hundertschaften ausländischer Journalisten wundern sich, was alles möglich ist. Van der Bellen war bereits gewählter Bundespräsident, ehe der Verfassungsgerichtshof die Wahl annulliert hat, obwohl die Aufhebungsgründe nie ausgereicht hätten, den Stimmenvorsprung zu egalisieren. So gesehen ist der Ausgang nur fair. Bei diesem engen Rennen ging es um die Unentschlossenen aus der bürgerlichen Mitte. Wenn die Mehrheit davon für VdB gestimmt hat, war das in erster Linie ein Votum gegen Hofer und weniger für Van der Bellen – für viele das kleinere Übel, das man zum Teil zähneknirschend gewählt hat. Hofer hat in letzter Minute (ORF-Diskussion) seinen Stil diametral auf aggressiv geändert und sein wahres Gesicht gezeigt. 24-mal das Wort „Lüge“ gepaart mit einer Serie von Untergriffen: Das hat den Wählern Angst gemacht und sie auch zum Urnengang veranlasst, ebenso wie das von der FPÖ unerbetene Bekenntnis des Briten Nigel Farage am Samstag, dass Hofer ein Referendum für den EU-Austritt anstrebe. Das Video mit der 89-jährigen Holocaust-Überlebenden hat vermutlich mehr Wähler ins Lager von VdB getrieben als alle Kommentare der unabhängigen Presse zusammen. Van der Bellen muss jetzt nicht mehr Trachtenjanker tragen und sich auf Kirtagen tummeln, aber er muss alles unternehmen, um die auch von ihm zu verantwortende Beschädigung des Amtes zu reparieren. Denn seine Reaktion auf die Hofer-Provokationen im ORF-Duell war alles andere als souverän. Was bleibt, sind zwei seit dem ersten Wahlgang stark beschädigte Regierungsparteien, die schleunigst ihre internen Flügelkämpfe beenden und zu einer wirklichen Zusammenarbeit finden sollten. Für ein Triumphgeheul des Nicht-FPÖ-Lagers besteht kein Anlass. Über 46 Prozent für einen FPÖ-Kandidaten sind ein Dammbruch, die FPÖ bleibt trotz des Dämpfers stärkste Partei, es sei denn die anderen hätten die Botschaften dieser Wahl verstanden. In der VP kann sich Mitterlehner freuen, er hatte offenbar das bessere Gespür als der Wadlbeißer Lopatka und die niederösterreichischen „Freunde“. Mitterlehners Abmontieren und eine Vorverlegung der NR-Wahl sind seit gestern wieder weniger wahrscheinlich. Und Kanzler Kern muss sich fragen, ob sein Persilschein für Strache nicht etwas zu früh ausgestellt worden ist.