„Das Skispringen bleibt mein Leben“

Der ehemalige Superadler engagiert sich für gute Zwecke und bilanziert seine Karriere.
Lech. Thomas Morgenstern war einer der ganz Großen des Skisprungsports. Nach zwei fürchterlichen Stürzen beendete er vor zwei Jahren seine Karriere. Am Freitag war er als Laureus-Botschafter in Lech und fuhr Ski mit benachteiligten Kindern. Im VN-Interview spricht er unter anderem über sein neues Leben und warum er nie vom Skispringen wird lassen können.
Sie sind hier als Botschafter der Sport-Wohltätigkeitsstiftung Laureus. Warum machen Sie das?
Morgenstern (lacht): Ich bin heute zum Laureus Botschafter ernannt worden, und dieser Skitag ist das zweite Projekt, das ich für die Organisation mache. Ich mache das, weil der Sport eine Sache ist, die verbindet. Und zwar Völker genauso wie Menschen untereinander, solche mit einer Behinderung mit solchen ohne Behinderung. Wenn du mit Kindern zusammenkommst, so wie hier, Kinder, die in irgendeiner Form beeinträchtig sind, dann ist das besonders spannend. Ich mache das gerne, es ist mir ein Bedürfnis. Es ist ja auch wichtig, dass Kinder Sport machen. Der Sport ist eine Lebensschule.
Wie war das denn heute?
Morgenstern: Ich habe mich kurz vorgestellt, und dann war ich einfach ein Teil der Gruppe und habe mich dort eingebracht. Die Kinder werden ja von speziellen Betreuern begleitet. Es hat Spaß gemacht.
Sie nehmen aus solchen Aktivitäten also auch etwas für sich mit?
Morgenstern: Natürlich tu’ ich das. So etwas ist erfüllend, es motiviert einen. Vor allem, wenn man sieht, wie schnell sie dazulernen. Ich kann mit Kindern grundsätzlich gut. Es ist ein angenehmes Gefühl, wenn man Kindern etwas mit auf den Weg hat geben können.
Wie schaut der Alltag des Thomas Morgenstern nach Ende seiner Skisprungkarriere aus?
Morgenstern: Momentan bin ich ziemlich eingedeckt mit meinem Helikopter-Berufspilotenschein. Das zieht sich jetzt schon eine Zeit lang. Bis im Juli bin ich hoffentlich fertig damit. Dann habe ich viele Sponsorentermine und Termine wie den heutigen. Bei der Tournee zum Beispiel war ich für Audi dabei.
Stichwort Tournee, Stichwort Skispringen. Wie eng und emotional sind Sie noch mit dem Skisprungsport verbunden?
Morgenstern: Zuerst war ein Abstand notwendig, weil es mein Leben war und mein Leben auch bleiben wird. Natürlich geht mir das Skispringen ab. Von dem her war es gut, einmal davon wegzukommen, in andere Welten einzutauchen. Zum Beispiel in jene der Helikopter. Da kommt man mit anderen Leuten und mit anderen Themen in Kontakt. Genauso wie hier mit dem Laureus. Das ist wichtig. Der Weg wird aber sicher wieder irgendwann zum Skispringen zurückgehen – in welcher Form auch immer. Natürlich nicht als Aktiver, aber vielleicht als Trainer.
Hat es in den zwei Jahren seit ihrem Rücktritt Momente gegeben, in denen Sie mit einem Comeback kokettiert haben?
Morgenstern: Nein, das nicht. Ich wusste, es war die richtige Entscheidung. Aber natürlich hat es Momente gegeben, in denen ich dachte, es wäre cool, noch einmal die Ski anzuschnallen. In Bischofshofen oder Innsbruck zum Beispiel, zwei Schanzen, die mir immer getaugt haben. Ich habe ja meine Karriere nicht beendet, weil mir das Skispringen nicht mehr gefallen hat, sondern wegen meiner Sturzorgie in meinem letzten Jahr. Ich gebe zu: Das Loslassen war nicht einfach. Es hat eine extreme Veränderung meines Lebens stattgefunden. Da sind in bestimmten Momenten auch Tränen geflossen. Ich werde nie mehr von einer Schanze springen. Ich werde nie mehr erleben, wie 30.000 Leute die Bundeshymne singen – so wie in Bischofshofen.
Könnten Sie sich nicht vorstellen, so wie Andreas Goldberger als Kameraspringer fürs Fernsehen im Einsatz zu sein.
Morgenstern: Nein, ich werde nie mehr von einer Schanze springen. Der Andi trainiert dafür. Das kann man nicht ohne Training machen.
Ihr Ex-Kollege Gregor Schlierenzauer feiert gerade dieser Tage nach langer Pause sein Comeback. Wie denken Sie darüber?
Morgenstern: Natürlich interessiert mich das. Ich weiß ja auch nicht, wo er steht. Ich habe in Bischofshofen mit ihm geredet. Er freut sich, ist gut aufgestellt, hat sein Umfeld verändert. Er hat mit Hubert Neuper einen neuen Manager und mit Christoph Strickner einen neuen Trainer. Der Gregor ist der Gregor, ein Megatalent. Und wenn’s einer schafft, dann er. Dazu muss er zum Auftakt nicht gleich beide Springen in Wisla gewinnen, sondern erst Mal nur wieder gut hineinfinden. Im Februar sind Weltmeisterschaften. Und wenn’s heuer noch nicht ganz klappt, dann gibt es das nächste Jahr. Da sind Olympische Spiele.
Sie sind ein Vorbild für viele. Was möchten Sie jungen Menschen vor allem mitgeben?
Morgenstern: Das ist schwierig zu beantworten. Für mich war’s immer wichtig, Ziele zu haben, Visionen. Und diese Ziele und Visionen zu erreichen bzw. zu realisieren. Wichtig ist auch, sich selber zu vertrauen.
Hatten Sie selber Vorbilder?
Morgenstern: Ja, meine Vorbilder als Skispringer waren Andreas Goldberger und Kazuyoshi Funaki. Ein großes Vorbild ist für mich auch Dietmar Mateschitz. Es ist unglaublich, was er aus seinem Leben gemacht hat.
Welchen Bezug haben Sie zu Vorarlberg?
Morgenstern: Außer dass zwei Cousins von mir beim FC Lustenau Fußball gespielt haben, gibt es für mich eigentlich wenig Bezug zu Vorarlberg. Ich war auch einmal mit dem Helikopter in Hohenems. Und natürlich fällt mir beim Namen Vorarlberg immer der Toni Innauer ein.
Sie sind ein erfolgreicher Mensch, haben eine reizende Tochter und müssen sich wirtschaftlich keine Sorgen machen. Beschäftigt man
sich da auch mit der Welt,
wie sie außerhalb der eigenen ist?
Morgenstern: Oh ja, das
mache ich. Sehr oft sogar. Wenn ich sehe, was für schlimme Dinge auf unserer Welt passieren, dann bin ich umso glücklicher, hier leben zu dürfen. In einem Land, wo es uns gut geht und wir uns sicher fühlen dürfen.

Zur Person
Thomas Morgenstern
Der dreifache Skisprung-Olympiasieger und achtfache Weltmeister engagiert sich heute für gute Zwecke.
Geboren: 30. Oktober 1986 in Spittal an der Drau
Wohnhaft: Seeboden, Milstädter See
Familie: in Partnerschaft, Tochter Lilly (4 Jahre)
Persönliche Bestweite als Skispringer: 232 m (Planica 2011)
Karriereende: 26. September 2014