„Wir wussten, dass es Patrick drauf hat“

ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel analysiert exklusiv für die VN alle Abfahrtsolympiasieger.
PyeongChang Seit 1948 gibt es die Abfahrt als olympische Einzeldisziplin. 18 Mal Gold wurde seitdem an den schnellsten Mann auf Skiern vergeben, sieben Mal kam dieser Mann aus Österreich. Gleich zwei Abfahrtsolympiasieger stellt Vorarlberg: 1964 Egon Zimmermann in Innsbruck, 1992 Patrick Ortlieb in Albertville. Ein Zeitzeuge der olympischen Abfahrten mit Insiderwissen ist ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (76). Seine Analyse der Olympiabfahrten und Olympiasieger ist gespickt mit ganz besonderen Erinnerungen.
1948, St. Moritz: Henrie Oreiller, Frankreich. An den kann ich mich ehrlich nicht erinnern.
1952, Oslo: Zeno Colo, Italien. Der Name ist mir bekannt. Colo fuhr noch zu Zeiten von Toni Sailer. Ich weiß, dass er Olympiasieger geworden ist.
1956, Cortina d‘Ampezzo: Toni Sailer, Österreich. Toni war für alle ein Held, ein Idol. Ich war 15, als er seine Goldmedaillen in Cortina holte. Nie werde ich vergessen, wie wir damals im Internat in Lienz Radio hören durften und mit großer Aufregung seine Fahrten mitverfolgten.
1960, Squaw Valley: Jean Vuarnet, Frankreich. Viel fällt mir zu ihm nicht ein.
1964, Innsbruck: Egon Zimmermann, Österreich. Er war mein persönliches Idol – schon vor seiner Goldfahrt am Patscherkofel. Mir haben die Arlberger von damals überhaupt getaugt. Egon ist privat ein netter Bursche. Ich treffe ihn immer wieder.
1968, Grenoble: Jean-Claude Killy, Frankreich. Killy war ein großartiger und kluger Skifahrer. Ich bin mit ihm befreundet. Er ist ein honoriger Mann, den ich gerade unlängst in Kitzbühel wieder getroffen habe.
1972, Sapporo: Bernhard Russi, Schweiz. Russi ist einer, dessen Wege sich mit meinen aufgrund seiner Tätigkeit bei der FIS immer wieder gekreuzt haben. Wir hatten noch vor Kurzem hitzige Diskussionen wegen der Startnummern-Regelung bei der Abfahrt. Es zeichnet ihn aus, dass er nachgeben kann. Er ist ein umgänglicher Typ und war ein toller Abfahrer.
1976, Innsbruck: Franz Klammer, Österreich. Sein wilder Ritt im gelben Rennanzug zu Gold am Patscherkofel 1976 hat ihn unsterblich gemacht. Ich hab‘ das Rennen damals auch vor Ort miterlebt. Es ist unvergesslich. Franz ist ein cooler Typ, lustig und gesellig.
1980, Lake Placid: Leonhard Stock, Österreich. Leo ist ein Gegenstück zu Franz Klammer, ruhig und eher introvertiert. Er war damals gar nicht in der Abfahrtsmannschaft, hat sich mit lauter Bestzeiten in den Trainings dann aber hineinreklamiert. Die Trainer haben damals richtig entschieden. Ich würde das auch so machen.
1984, Sarajewo: Bill Johnson, USA. Der war was Besonderes. Ich kann mich gut an ihn erinnern. Nasenbohrer wurde er von einigen genannt. Eigenartig war sein Stil. Er fuhr eine spezielle Hocke und balancierte den Körper mit den Stöcken aus. Für die Strecke in Sarajewo war das ideal. Deshalb gewann er dort auch Gold.
1988, Calgary: Pirmin Zurbriggen, Schweiz. Ich werde diese Olympischen Spiele auch deswegen nie vergessen, weil man mich damals als Servicemann akkreditieren musste. Zu Zurbriggen: Ein damals logischer Olympiasieger. Primin, den ich später auch als Liftgesellschafter besser kennenlernte, ist ein nüchterner Bursche: ordentlich, anständig, verlässlich.
1992, Albertville: Patrick Ortlieb, Österreich. Das waren meine ersten Spiele als Präsident. Und dann holt der Patrick Ortlieb auch noch Gold. Wenige haben ihm das zugetraut. Die Strecke sei zu kurvig – nix für Ortlieb, sagten sie. Aber wir haben damals das Positive verinnerlicht und uns gesagt: Der Berg g’hört uns. Wir wussten, dass es Patrick draufhat. Und so war es dann auch.
1994, Lillehammer: Tommy Moe, USA. Ohne respektlos zu sein. Tommy Moe sagt mir wenig. Ich weiß nur noch: Er war an diesem Tag, in dieser Stunde und auf dieser Strecke der Beste. Und deswegen holte er verdient Gold.
1998, Nagano: Jean-Luc Cretier, Frankreich. Dieser Tag stand für uns ganz im Zeichen des Sturzes von Hermann Maier. Unser ganzes Denken und Fühlen war auf ihn fokussiert. Das Rennen hab‘ ich kaum mehr richtig mitverfolgt.
2002, Salt Lake City: Fritz Strobl, Österreich. Fritz‘ Strecke. Sehr wellig, man konnte wenig in Position fahren – was nichts für ihn gewesen wäre. Zu Fritz habe ich eine persönliche Beziehung. Seine Eltern sind Landwirte. Ich war schon dort zum Fischen.
2006, Turin: Antoine Deneriaz, Frankreich. Deneriaz war auf diesen Tag perfekt eingestellt. Da passten Fahrt und Material, vor allem sein Rennanzug, ideal zusammen.
2010, Vancouver: Didier Defago, Schweiz. Ein verdienter Olympiasieger, der schon zuvor starke Rennen absolviert hatte. Didier ist ein eher zurückgezogener Bursche, sehr höflich und sympathisch.
2014, Sotschi: Matthias Mayer, Österreich. Mit ihm hatte man ja auch nicht unbedingt gerechnet. Er ist ein immer gutgelaunter Typ, der diesen Tag in Sotschi zu seinem machte und uns damit eine große Freude.