Solidarität aus der Kurve

Sport / 26.04.2020 • 22:00 Uhr
Solidarität aus der Kurve
In Lustenau am Blauen Platz ließen die Austria-Anhänger die Helfer hochleben. PRIVAT

In den Farben getrennt, in der Sache vereint: Vorarlbergs Fußballfans zeigen sich dankbar.

Altach, Bregenz, Lustenau Pyroshows, Ausschreitungen und wüste Beschimpfungen. Das Bild, das viele Medien von den „Ultras“ malen, ist ein recht düsteres. Doch während der Coronakrise zeigen die Fangruppierungen ein für viele durchaus ungewohntes Gesicht. Besonders die Ultras von Atalanta Bergamo rückten dabei in den Mittelpunkt, nachdem sie den Alpini – den italienischen Gebirgsjägern – beim Bau eines provisorischen Krankenhauses geholfen hatten.
Dennoch gilt die Curva Nord weiter als Sündenbock. Viele vermuten die Champions-League-Partie gegen Valencia als Auslöser der dramatischen Lage in Norditalien. Auch wenn das dortige Geschäftsleben noch zehn Tage länger seinen normalen Gang lief und die drohende Gefahr verharmlost wurde. Quer durch Europa hindurch sorgte die Coronapandemie seitdem für eine Welle der Solidarität bei den Fans. Wacker Innsbrucks „Tivoli Nord“ sammelte mittlerweile schon über 56.000 Euro für die Region Bergamo, mit den Anhängern von Atalanta Bergamo verbindet sie eine Fanfreundschaft.

Ein Zeichen der Dankbarkeit

Auch im Ländle zeigt sich die Ultraszene solidarisch: Der Dachverband der Altacher Fanclubs, die „Altacher Jungs“, starteten etwa eine Hilfsaktion, um Personen der Risikogruppe bei Einkäufen und Botengängen unterstützen zu können (Anfragen können an altacherjungs@1929.at gestellt werden). Und die Fans der Lustenauer Austria und kurz darauf auch jene von Schwarz-Weiß Bregenz bedankten sich mit Transparenten bei denen, die im Moment als Teil der kritischen Infrastruktur ihrer Arbeit nachgehen.

Austria-Anhänger
Austria-Anhänger
Ostergeschenke der Austria-Anhänger
Ostergeschenke der Austria-Anhänger

Unterstützung der Region

SW-Anhänger Benjamin Fogarasi erklärt den Hintergrund dieser Aktionen: „Der erste Spieltag der Rückrunde stand kurz bevor, da haben wir immer besondere Pläne was den Support anbelangt. Jetzt haben wir die Energie anders genutzt – um denen gegenüber Dankbarkeit zu zeigen, die jetzt alles am Laufen halten. Wenn man schon nicht anders helfen kann.“ Denn ein Aspekt der Ultrakultur sei es, nicht nur das eigene Team zu unterstützen, sondern auch für Stadt und Region da zu sein. So, wie es derzeit die Fans aus Italien vorleben und auch die Altacher und Lustenauer zeigen.

„Das Schöne am Fußball ist doch das emotionale Erleben im Kollektiv. Das fehlt jetzt vielen.“

Benjamin Fogarasi, SW-Bregenz-Anhänger


Dass Ultras oftmals in negativem Kontext gezeigt werden – in Deutschland jüngst etwa mit der Causa Dietmar Hopp – sei nicht die ganze Wahrheit. Der Hintergrund solcher Aktionen bleibe seitens der Medien oft unbeleuchtet, lautet der Vorwurf. Als Stärke der Bewegung gelte nämlich die Gesellschaftskritik. Die Ultras verstehen sich eben nicht als Kunden des zunehmend kommerzialisierten Fußballs. Um Dinge wie zu hohe Ticketpreise anzuprangern, müsse man zwar nicht der Ultraszene angehören, die Taktgeber mit dem nötigen Tatendrang sind dennoch meist die Fans aus der Kurve. Während sich der Fußball zunehmend vom Proleten- hin zum Massensport wegentwickelt habe „sind die Ultras sich treu geblieben und provozieren deshalb auch manchmal.“ Es gebe zwar sicher einen kleinen Teil, für den auch Gewalt eine Rolle spiele. „Aber Ultrakultur ist nicht so ein Schwarz-Weiß-Denken, wie sie oft dargestellt wird.“


Um auch den eigenen Verein in ungewissen Zeiten bestmöglich unterstützen zu können, wurde von „Szene Bregenz“ eine Solidaritätssaisonkarte auf die Beine gestellt, der Betrag von 19,19 Euro wird nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs entsprechend in Mitgliedschaften und Saisonkarten umgemünzt werden können. In die Zeit nach der Pandemie blickt „Fogi“ positiv: „Die Stadien werden sicher gut gefüllt sein. Das Schöne am Fußball ist doch das emotionale Erleben im Kollektiv. Und das fehlt jetzt vielen.“ FB