Die wiederkehrende Umweltdebatte

28. Oktober die Damen, einen Tag später legen dann die Herren los.GEPA
Grünes Licht für Sölden durch FIS. Gratwanderung zwischen „nicht mehr zeitgemäß“ und „wichtiger Auftakt“ für Wintertourismus.
Sölden Das weiße Band in karger Geröll-Landschaft scheidet die Geister. Auch heuer könnte es beim traditionellen Start in den Ski-Weltcup in Sölden Ende Oktober zu sehen sein. Viral gingen im extrem heißen Sommer 2023 Bilder von Baggerarbeiten am schmelzenden Rettenbachgletscher. Notwendig und sogar nachhaltig sagen die einen, eine Katastrophe und Naturzerstörung die anderen.
Katastrophe für Glaubwürdigkeit
Nicht zuletzt Greenpeace hatte den Skiort im Tiroler Ötztal, der sich selbst als „Herzschlag der Alpen“ bezeichnet, scharf kritisiert. Der Vorwurf: Wegen des alpinen Skiweltcups würde der Gletscher abgetragen und so in eine fragile Natur eingegriffen. Der frühere Ski-Star Felix Neureuther sprach von einer „Katastrophe für die Glaubwürdigkeit des Sports“ und nannte die Bilder „sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß“.
Jakob Falkner, Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden und Chef des Weltcup-OK-Teams, nannte die Greenpeace-Vorwürfe im APA-Gespräch „böswillig“. Es handle sich um normale und behördlich genehmigte Sanierungsarbeiten aufgrund des Rückgangs des Rettenbachgletschers für eine auch dem normalen Wintersportler zugängliche Piste.
Zuletzt ergriffen auch aktuelle Skistars für Sölden Partei. „Ich finde es schwach, wie einseitig in gewisser Hinsicht berichtet wurde, weil nie hinterfragt wurde, warum es gemacht wurde“, kritisierte Manuel Feller und lieferte seinen Erklärungsansatz. Es habe sich um Instandhaltungsarbeiten gehandelt, damit Sölden in den nächsten Jahren weniger Schnee und Energie braucht, um die Piste zu füllen. „Es geht also um Nachhaltigkeit. Der Blick von Sölden ist weiter nach vorne gerichtet, auch wenn es natürlich katastrophal ausschaut“, sagte Feller. Andererseits ist das Rückzugsgefecht der Gletscher laut dem Tiroler nicht mehr aufzuhalten. „In zehn Jahren wird es das Eis sowieso nicht mehr geben.“
Der deutsche Abfahrer Thomas Dreßen widersprach den Vorwürfen der Zerstörung ebenfalls. Der von Sölden gesponserte Athlet wehrte sich dagegen, den Skisport als großen Umweltsünder darzustellen. „Wenn Kinder heimkommen aus dem Skiurlaub, werden die hingestellt als Klima-Kaputtmacher oder wie man das alles nennt. Das kann es nicht sein.“ Flugreisen etwa seien deutlich klimaschädlicher. „Da sollten sich eher mal die hinterfragen, die einfach mal so für zwei Tage zum Saufen an den Ballermann fliegen“, sagte Dreßen.
69,3 Millionen Nächtigungen
Touristische und kommerzielle Gründe werden auch für den frühen Saisonstart in Sölden angeführt. Wintertourismus und die Sportartikel- und Ski-Industrie kommen mit ihren Themen aus der Sommerpause retour in die mediale Öffentlichkeit. „Das sind die ersten Bilder des Schnees. Bilder erzeugen Emotion, Emotion ist Urlaub und insofern ist der Auftakt für uns immer wichtig“, sagte Falkner, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Ötztal Tourismus und Mitglied der Adlerrunde ist, eines einflussreichen ÖVP-nahen Unternehmerverbunds. Der Wintertourismus in Österreich erwirtschaftet etwa 15 Milliarden Euro, das Vorjahr schloss die Branche mit 69,3 Mill. Nächtigungen ab.
Sendet ein schmales Pistenband in grauer Landschaft aber tatsächlich Bilder, um Winterlust zu entfachen? So manche Skifirma pocht offiziell nicht (mehr) auf den Oktober-Start. „Wenn der Auftakt eine Woche oder zwei Wochen später ist, dann ist es vielleicht einfacher und mit weniger Aufregung verbunden“, sagte Atomic-Geschäftsführer Wolfgang Mayrhofer. Falkner betonte, dass die Wetterverhältnisse im Oktober am Rettenbachferner stabiler als zu einem späteren Zeitpunkt seien. Zum Termin meint er: „Alternativlos ist gar nichts. Aber: Solange wir gute Rennen durchführen können, sehen wir keinen Grund, ihn nicht zu wählen.“
Seit 1993 ist Sölden, zunächst unregelmäßig und seit 2000 jährlich, auserkoren, auf 2670 m Seehöhe (Ziel) den Winter einzuläuten. Mit der Temperaturabkühlung der letzten Tage liefen die Beschneiungsanlagen auf Hochtouren, zuvor karrte man Schnee aus Depots, um eine erste Auflage und Sturzräume zu schaffen, wo bis vor Kurzem Geröll lag. Nun gab es bei der obligatorischen Schneekontrolle durch die FIS grünes Licht für die Austragung. „Wir stehen bereit, die Piste schaut wirklich gut aus“, sagte Falkner.
„In zehn Jahren wird es das Eis auf den Gletschern sowieso nicht mehr geben.“