Verletzungsdrama um Nina Ortlieb

27-jährige Speed-Spezialistin erlitt bei Sturz in St. Moritz einen Schien- und Wadenbeinbruch.
St. Moritz Ski-Rennläuferin Nina Ortlieb wird erneut von einer schweren Verletzung zurückgeworfen. Die Vizeweltmeisterin in der Abfahrt stürzte am Freitag beim Einfahren für den Super-G von St. Moritz und zog sich dabei einen Schien- und Wadenbeinbruch im rechten Bein zu. Das teilte der Österreichische Skiverband nach der Abklärung im Krankenhaus Schruns bei Ortliebs Vertrauensarzt mit. Die 27-jährige Vorarlbergerin erlebt den nächsten Eintrag in ihrer bereits dicken Krankenakte.
Ortlieb wurde noch am Freitag operiert, nachdem sie mit dem Helikopter nach Vorarlberg gebracht worden war. Nach den Rängen drei und eins im Abfahrtstraining hatte Ortlieb als Mitfavoritin für das Triple in der Schweiz gegolten. Ihr Ausfall trifft das österreichische Speed-Team hart. „Nina ist eine Siegläuferin, ein Vorbild in jeglicher Art, sie ist eine hundertprozentige Sportlerin. Das schmerzt total“, sagte ÖSV-Cheftrainer Roland Assinger.
Nun schon 20 Operationen
Ihre Verletzungshistorie ist Bücher füllend. Zu mehrfachen Knieoperationen kommen Brüche im Becken, Schambein, Oberarm, Mittelhandknochen (3x), Sprunggelenk (2x), je eine Schulterluxation und Rippenfraktur. Auch die Nase ist mehrfach lädiert. Nach WM-Silber im Februar 2023 hatte Ortlieb 19 Operationen aufgezählt. Den damaligen Erfolg empfand sie als „Entschädigung, Belohnung und Bestätigung“ der harten Comeback-Arbeit. „Natürlich hadert man und denkt, ist es das noch wert? Aber dafür mache ich es zu gerne.“
Patrick Ortlieb kennt den Preis, den seine Tochter für ihr Sportlerinnenleben bereits bezahlt hat. „Sie ist vom Charakter her einfach eine Kämpferin, immer am Limit, egal was sie macht. Und sie will immer die Beste sein. Sie hat gesundheitlich schon sehr teuer dafür bezahlt“, erzählte Ortlieb in der damaligen Stunde des Erfolges.
Schwacher Trost
Ihre letzte schwere Verletzung geschah im Jänner 2021. Das vordere Kreuzband, das Innenband, der Außenmeniskus und die Patellasehne waren gerissen. Olympia fand ohne sie statt. Dass heuer kein Großereignis ansteht, wird der Kämpfernatur wenig Trost sein.
Für Österreichs Speed-Spezialistinnen war es danach nicht leicht, sich voll zu konzentrieren. Dabei war Ariane Rädler super unterwegs. Die 27-Jährige aus Möggers war auf Kurs in die Top-Ten, als ihr vor dem Flachstück ein blöder Fehler unterlief. So musste Rädler mit Rang 15 Vorlieb nehmen. Weniger gut lief es für Michelle Niederwieser und Christine Scheyer.
Cornelia Hütter hingegen hat die Speed-Saison mit Platz zwei im Super-G von St. Moritz hinter der überragenden Sofia Goggia eröffnet. Die Steirerin führte am Freitag mit 0,95 Sekunden Rückstand den Rest der Welt hinter Italiens Speed-Queen an, die mit einer draufgängerischen Fahrt bei schlechter Bodensicht erneut unschlagbar war. Auf den Rängen folgten die Schweizerin Lara Gut-Behrami (+1,02) und US-Star Mikaela Shiffrin (+1,08).
„Der Grundspeed passt“, fiel Hütters erster Befund insgesamt erfreulich aus. „Jetzt heißt es: nicht lockerlassen.“ Dass sie den Blindflug, den sie als „Kampf am Limit“ beschrieb, erfolgreich bewältigte, machte sie stolz. „Ich war heute wirklich nervös. Die ‚Pumpn‘ ist mir schön gegangen. Wir haben schon so lange darauf hingearbeitet, echt viel trainiert und alles darangesetzt, dass wir performen“, sagte Hütter. „Es ist echt schön, dass es mir so gelungen ist. Ich habe das Renngefühl schon vermisst.“
ÖSV-Cheftrainer Roland Assinger zog ein zweigeteiltes Resümee nach einer emotionalen Achterbahnfahrt: „Es war schwierig. Einerseits die Rettungskette für Nina zu organisieren, gleichzeitig die Vorbereitung auf das Rennen, das mit Platz zwei von der Conny absolut genial geendet hat.“ Für zwei Schützlinge hatte der neue Chef Sonderlob parat: „Conny hat schon viel mitgemacht in ihrer Karriere, deshalb ziehe ich meinen Hut vor ihrer Leistung heute. Auch vor Venier – eine starke Steigerung zu den Trainings.“
Emily Schöpf (23) wurde für die heutige Abfahrt und Stephanie Brunner für den Super-G am Sonntag nachnominiert.
„Sie will immer die Beste sein. Gesundheitlich hat sie schon sehr teuer dafür bezahlt.“