„Die schönsten Wochen meiner Karriere“

Österreichs Handballer wollen die EM-Euphorie fortsetzen.
Köln Das Drama begleitete Österreichs Handballer bei der EURO 2024 in Deutschland bis zu den letzten Minuten des finalen Kraftakts von Köln. Selbst eine beachtliche Willensleistung gegen Island blieb aber unbelohnt, das Spiel um Platz fünf oder gar das Halbfinale schließlich nur ein Traum. Nach einer sensationellen EM-Kampagne wollte freilich keiner der Spieler Trübsal blasen. „Das waren sicher die aufregensten und schönsten Wochen meiner Karrieree“, frohlockte Kreisläufer Tobias Wagner.
Im Mittelpunkt des Interesses
Auch wenn die letzten beiden Auftritte gegen Olympiasieger Frankreich und Island verloren wurden. Angesichts der Unentschieden gegen Kroatien, Spanien und Gastgeber Deutschland waren der ÖHB-Auswahl schon davor die Herzen der Sportnation zugeflogen. Prominente TV-Auftritte, DJ-Sessions und Interviewanfragen, die das gewöhnliche Interesse am Handballsport bei weitem überschreiten ließen. Die vergangenen zwei Wochen erlebte die Rot-weiß-Roten wie einen Rausch.
Schmerzen und Müdigkeit wurden erfolgreich ausgeblendet, Dauerbrenner wie Robert Weber, Mykola Bilyk, Lukas Hutecek und Sebastian Frimmel standen über sechs Stunden auf dem Parkett und lieferten Spiel für Spiel beeindruckende Leistungen ab. Gegen Island stellte sich im siebenten Spiel dieser Endrunde dann aber doch ein Abfall ein, war der Kräfteverschleiß angesichts beschränkter Wechsel-Optionen nicht mehr ganz zu verhehlen. „Keine Frage, das ist nicht so einfach, ein so langes Turnier zu spielen. Einige waren bei uns die ganze Zeit am Limit“, meinte Bilyk. „Leider hat uns am Ende für das große Wunder das nötige Glück und die nötige Energie gefehlt.“
Bei einem Sieg gegen Island wäre zumindest das Spiel um Platz fünf und damit die beste Endrunden-Platzierung der Handball-Neuzeit fix gewesen. So stellte man als Achter die bisherige Bestmarke von der Heim-EM 2020 ein – nicht schlecht für ein Team, dem nur wenige den Aufstieg in die Hauptrunde zugetraut hatten. Auch wenn Rang acht die Leistungen etwas verzerrt widerspiegelt. „So knappe Partien gegen unglaublich starke Gegner – wenn man das mit der Heim-EM vergleicht: Da konnten wir die Mannschaften, gegen die wir hier gepunktet haben, nicht ärgern“, erinnerte Bilyk.
Der Blick in den Rückspiegel bestätigt die Aussage des Kapitäns: 2020 setzte man sich in der Vorrunde gegen Tschechien (32:29), die Ukraine (34:30) und Nordmazedonien (32:28) durch, allesamt nicht im Konzert der Großen dabei. In der Hauptrunde konnte man die Topnationen Kroatien (23:27), Spanien (26:30) und Deutschland (22:34) nie ernsthaft in Gefahr bringen und holte lediglich gegen Weißrussland ein 36:36-Remis. „Wir reisen mit einer so breiten Brust und mit dem Kopf so weit oben wie noch nie aus Deutschland ab. Was wir hier geleistet haben, haben wir noch nie in einer Endrunde erreicht“, schwärmte ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser.
Vielleicht kann man das neue Selbstverständnis schon von 11. bis 17. März bei der Olympia-Qualifikation unter Beweis stellen. Dort geht es in drei Vierergruppen um je zwei, insgesamt also sechs Tickets für Paris. Die Entscheidung über den Startplatz fällt beim Afrika-Cup. Nur wenn Gastgeber Ägypten gewinnt, rutscht Österreich ins Starterfeld.
Im Quali-Play-off für die kommende WM 2025 ist Österreich erstmals in Topf eins gesetzt und kann damit nicht auf eine der absoluten Topnationen treffen. Nach den Leistungen in Deutschland wird man sich wohl nicht mehr um den Favoritenstatus drücken können. Kein Problem für Wagner: „Diese Vorschusslorbeeren nehmen wir gerne mit.“
„Wir reisen mit einer so breiten Brust wie noch nie aus Deutschland ab.“