Im Dunkeln ins Ziel: Die inspirierende Reise eines blinden Marathonläufers

Sport / 11.09.2024 • 16:13 Uhr

Hans-Peter Schmid gewährt Einblicke, wie er einen Marathon ohne Sehkraft meistert und wie die einzigartige Zusammenarbeit mit seinen Blinden-Guides aussieht.

Schwarzach Ein pulsierendes Meer von Menschen wartet angespannt auf den Start eines Marathons. Nervosität und Vorfreude liegt kurz vor Beginn unter den Sportbegeisterten in der Luft, bereit zu zeigen, wofür man monatelang hart trainiert hat. Inmitten dieses Gedränges stehen zwei Teilnehmer, die eine auffällige Leuchtweste tragen und besonders hervorstechen – es sind Hans-Peter Schmid und sein Blinden-Guide. “Kurz vor dem Start des Marathons ist die Stimmung greifbar – man nimmt nervöse Gespräche wahr, spürt die Anspannung der Teilnehmer, fühlt die Begeisterung der Zuschauer, hört Musik aus den Speakern. Man empfindet auch eine starke Läufergemeinschaft untereinander. Es ist eine ganz spezielle Atmosphäre – zum Anfassen”, schildert Schmid seine ganz persönlichen Eindrücke.

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Schmid mit Guide Sandra kurz vor dem Start mitten in der Menge.VN

Der 61-Jährige, der in seiner Jugend vollständig erblindete, ließ sich und seine Sportbegeisterung von der Beeinträchtigung nie bremsen. Der sportliche Werdegang des sympathischen Schweizers begann dabei nicht als Marathon-Läufer, sondern im Biathlon. Auch dort hat Schmid einige Erfolge vorzuweisen.

Von den Paralympics zum Marathon

1992 nahm Schmid an den Paralympischen Winterspielen in Albertville (Frankreich) teil und holte im Biathlon die Bronzemedaille für die Eidgenossen. „Laufen war für mich eigentlich nur eine Sommerbeschäftigung, um mich ausdauerfähig zu halten“, erklärt Schmid. Doch das Schicksal führte ihn 2016 zu einem lokalen Lauftreff, wo er Guides traf, die Sehbehinderten die Möglichkeit geben, in Begleitung zu laufen. Diese Begegnung sollte ein neues sportliches Kapitel im Leben des Schweizers eröffnen. „Es war nicht mein Plan, irgendwann Marathons zu laufen. Aber die Guides weckten eine Freude in mir, die mich motivierte, an einem Marathon teilzunehmen“, erläutert er den Sinneswandel. Gesagt, getan – im selben Jahr noch absolvierte der Schweizer seinen ersten Halbmarathon, im darauffolgenden Jahr folgte der erste Marathon.

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Hans-Peter mit seinen Guides – eine Zusammenarbeit der besonderen Art. VN

Blindes Vertrauen zu den Guides

Für Schmid ist die Beziehung zu seinen Guides weit mehr als eine bloße Zusammenarbeit – es ist ein Vertrauensbund, denn man “muss sich im wahrsten Sinne des Wortes blind vertrauen.” Dabei ist in der Zusammenarbeit beidseitiges Teamwork und intensive Kommunikation von großer Bedeutung. “Während des Laufs macht mich der Guide sofort aufmerksam, wenn Bodenunebenheiten, Stufen oder Bordsteinkanten zu sehen sind. Er hält mich auch auf dem Laufenden, an welchem Kilometerpunkt wir uns befinden, wie die Umgebung und Szenerie aussieht”, führt der Schweizer die Besonderheiten der Teamarbeit aus. Auch das Signalisieren von Richtungsänderungen und bevorstehenden Kurven gehört dazu. Schmid ist während des Laufens durch ein Band an den Händen eng mit seinen Guides verbunden. Wenn der aufkommende Lärm während eines Marathons die Kommunikation erschwert, haben Schmid und sein Guide mittels Berührungen alternative Lösungen parat.

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Ein stolzer Hans-Peter Schmid mit seinem Guide Mike Bär beim Boston-Marathon. VN

Boston-Marathon als großes Highlight

Mittlerweile trainiert Schmid mit fünf bis sechs verschiedenen Guides, die ihn auch zu Marathons begleiten. Dabei kann der Trainingsaufwand durch die Koordination mit so vielen unterschiedlichen Trainingspartnern auch mal fordernd werden. “Es braucht offene, engagierte und motivierte Läufer, die Freude am gemeinsamen Erlebnis haben – ohne diese tollen Guides gäbe es für mich kein Laufen”, zeigt Schmid seine Dankbarkeit. In den vergangenen Jahren sammelte der Schweizer so einige unvergessliche Marathonerlebnisse. Darunter der zweimalige Antritt beim prestigeträchtigen Boston Marathon 2019 und 2021: “Das war eine ganz besondere Erfahrung bei dem größten Marathon weltweit dabei zu sein, eine überwältigende Stimmung und Atmosphäre”, berichtet er stolz von der Teilnahme. Beim nun anstehenden 3-Länder-Marathon, an dem Schmid teilnimmt, lobt er die Veranstalter für das Ermöglichen eines kostenlosen Antritts für seinen Blinden-Guide, was nicht selbstverständlich sei. Die restlichen Teilnehmer und Fans würden Schmid durchwegs sehr viel Respekt und Begeisterung entgegenbringen.

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Schmid mit Guide Sarah Amoroso, die ihn beim 3-Länder-Marathon begleiten wird.VN

“Im Ziel ist der Kopf müder, als die Beine”

Angesprochen auf besondere Herausforderungen für einen blinden Marathon-Läufer, entgegnete Schmid lachend, dass jeder Läufer die gleiche Schwierigkeit hat – ins Ziel zu kommen, egal ob mit oder ohne Sehfähigkeit. Trotzdem führte der Schweizer aus, dass für ihn gerade die Anfangsphase einige Schwierigkeiten birgt: “Direkt nach dem Start ist nicht viel Platz und in diesem Moment muss man sehr vorsichtig und aufmerksam sein, dass man mit niemandem kollidiert.” Zudem fordert der Marathon eine sehr hohe Konzentrationsleistung von einem blinden Sportler. “Als Blinder hat man sicherlich einiges mehr im Kopf zu tun. Man muss ständig Unebenheiten ausgleichen und das Gleichgewicht halten, was sehr hohe kognitive Anstrengung fordert. Im Ziel ist der Kopf müder, als die Beine”, beschreibt Schmid die spezielle kognitive Wahrnehmung eines Marathons. Für einen blinden Läufer ist ein Marathon mehr, als nur ein Lauf gegen die Zeit, es ist eine Erfahrung und Verbindung jeglicher Sinneswelten. Niclas Haberlandt

Sparkasse 3-Länder-Marathon am 13.10.2024

Vorarlberg bewegt Kindermarathon am 12.10.2024

Alle Infos zum Marathon und zur Anmeldung finden Sie hier:

https://www.sparkasse-3-laender-marathon.at/de/home/